Adolf Frank: Verfolgter des NS-Regimes erhält Sühnebescheid

Sühnebescheid Adolf Frank, 1948, StA Bremen 4.66 - I. 3049
Sühnebescheid Adolf Frank, 1948, StA Bremen 4.66 - I. 3049
Aufhebung des Sühnebescheids Adolf Frank, 1948, StA Bremen 4.66 - I. 3049
Aufhebung des Sühnebescheids Adolf Frank, 1948, StA Bremen 4.66 - I. 3049
3. September 1948
Hohenlohestraße 34, Bremen-Mitte

Adolf Frank (geb. 24. Juni 1879 Bremen) wurde während des Nationalsozialismus wegen seiner jüdischen Abstammung verfolgt, interniert und überlebte. Im Juni 1947 füllte er den Meldebogen auf Grund des Gesetzes zur Befreiung vom Nationalsozialismus (sog. Entnazifizierung) aus. Das Verfahren war gedacht zur Aufdeckung und Ahndung von NS-Verbrechen. Wieso gab es den Verdacht, dass ein Mann, der aus religiösen Gründen verfolgt wurde, gleichzeitig ein NS-Täter sein sollte?

Adolf Franks Mutter war evangelischen Glaubens, damit galt er im Nationalsozialismus als „Halbjude“, ab 1935 war der offizielle Begriff dafür „Jüdischer Mischling ersten Grades“. Vieles deutet darauf hin, dass er seine jüdische Abstammung unter dem NS-Regime lange verbergen konnte.
Als er 1906 in Eschwege Hedwig Winkebach (geb. 05. Juni 1882 Eschwege) heiratete, stand in der Heiratsurkunde bei seiner Religion „ev.“ (evangelisch). Ob er zum Christentum konvertierte oder die Eintragung auf einem Irrtum beruhte, bleibt ungeklärt. Doch selbst als konvertierter Christ hätte er ab 1933 durch die Nationalsozialisten diffamiert werden können, verfolgt und ausgegrenzt wie diejenigen, die jüdischen (mosaischen) Glaubens waren; denn nach der NS-Rassengesetzgebung zählte allein die jüdische Abstammung.

Nach nationalsozialistischem Verständnis lebten Juden, die mit Nichtjuden verheiratet waren in einer sogenannten „privilegierte Mischehe“, die ihnen noch bis 1943/44 einen relativen Schutz vor Deportationen bot. Die Mischehe bot jedoch in der Zeit des Nationalsozialismus „keine sichere Überlebensgarantie“. Sie verschaffte dennoch dem Großteil dieser Gruppe den notwendigen Zeitaufschub zum Überleben.

Halbjuden wurden ebenso diskriminiert wie Volljuden, dies gilt auch für die „Arisierung“ ihres Eigentums.
Adolf Frank war selbständig mit einer Textilvertretung, die er von seinem Vater übernommen hatte. Seit 1928/29 nannte er das Haus Hohenlohestraße 34 sein Eigentum. Trotz der Bemühungen des NS-Regimes die Juden aus dem Wirtsc haftsleben zu vertreiben, kann Adolf Frank seine Umsätze noch bis 1938 steigern, das dem Finanzamt zu meldende Vermögen stieg in den Jahren 1938-1945 von 10.000 RM auf 25.000 RM. Angesichts seiner finanziellen Situation und da weder sein Geschäft, noch seine Immobilie „arisiert“ wurden, deutet alles darauf hin, dass Franks jüdische Herkunft auch um 1938/39 nicht bekannt war.

Nach 1942 kam es im Deutschen Reich zu Verhaftungswellen jüdischer „Mischehe“-PartnerInnen. Diese Festnahmen gingen meist auf Betreiben örtlicher Partei- oder Gestapostellen zurück. In 1943/44 wurde die Suche nach noch nicht deportierten Juden intensiviert. Dazu gehörte Adolf Frank. Jetzt verloren auch diejenigen in privilegierter Mischehe lebende Juden den Schutz. Sie wurden festgenommen und kamen in Arbeitslager oder Konzentrationslager. Die als „jüdisch“ eingestuften Ehepartner blieben nicht immer unbehelligt, mit Drohungen suchte die Gestapo sie zur Scheidung zu zwingen oder sie wurden wegen „Rassenschande“ verhaftet und oftmals in Arbeitslager überführt.

Der Zeitpunkt, ab dem Adolf Frank aus rassischen Gründen verfolgt wurde ist nicht bekannt. Er gab an ab 1944 im „Einsatztrupp“ gewesen zu sein, unter anderem im Konzentrationslager Farge. Durch die schwierigen Überlebensbedingungen in den Lagern behielt er eine gesundheitliche Beeinträchtigung zurück. Er kehrte 1945 nach Bremen zurück.

Für das Überleben benötigte er Lebensmittelkarten und sah sich als 66-Jähriger gezwungen seine Textilvertretung neu aufzubauen. Um überhaupt weitermachen zu können, musste er einen so genannten „Meldebogen“ ausfüllen. Darin enthalten waren diverse Fragen zur NS-Belastung. Ein Verfolgter konnte all diese mit „nicht zutreffend“ beantworten. Im Gegenzug gab es danach einen „Nichtbetroffenenbescheid“.

Adolf Frank hatte jedoch korrekterweise seine Mitgliedschaft im „Stahlhelm“ (Bund der Frontsoldaten) angegeben, dem er 1920 beitrat, nachdem er als Feldwebel im 1. Weltkrieg gedient hatte. Der „Stahlhelm“ stand in eindeutiger Opposition zum politischen System der Weimarer Republik. Zunächst noch stark an der Kaiserzeit orientiert, trat der Bund seit 1928 offen als republik- und demokratiefeindlich in Erscheinung, auch als antisemitisch und rassistisch. Mit dem „Arierparagraph“ wurden ab 1924 alle jüdischen Mitglieder ausgeschlossen. Ehemaligen Frontsoldaten jüdischen Glaubens wurde die Mitgliedschaft verwehrt, sie konnten sich im „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“ organisieren. Am 11. Februar 1933 schloss sich der „Stahlhelm“ mit der DNVP zur „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“ zusammen. 1933/34 erfolgte die Gleichschaltung des „Stahlhelms“ durch Unterstellung unter die SA.

Adolf Frank blieb Mitglied im „Stahlhelm“ bis zu dessen Auflösung in 1934, bzw. der Überführung in die SA. Als Adolf Frank aufgefordert wurde nun der SA beizutreten, verweigerte er dies. Anscheinend war im „Stahlhelm“ Adolf Franks jüdische Abstammung unbekannt, anders lässt sich die langjährige Mitgliedschaft nicht erklären, das gilt ebenso für die Aufforderung der SA beizutreten.

1947 wurde dem aus religiösen Gründen Verfolgten Adolf Frank die politische Ausrichtung des „Stahlhelms“ zum Verhängnis. Er muss den Prozess der Entnazifizierung durchlaufen und am Ende mit einer Sühneleistung über knapp 700 RM bestraft. Erst mit Hilfe eines Anwalts, wurde festgestellt, dass „… allein die Tatsache [Mitgliedschaft im „Stahlhelm“] nicht als Förderung des Nationalsozialismus im Sinne des Artikels 12 des Befreiungsgesetzes anzusehen ist …“ und der Sühnebescheid wurde zurückgezogen.

Bei dem Versuch eine Erklärung für den Vorgang zu finden muss weitergegriffen werden. Die Durchführung der Entnazifizierung erfolgte in Deutschland unterschiedlich, je nach alliierter Besatzungsmacht und Region. In Bremen wurde zunächst nach häufig wechselnden Richtlinien entnazifiziert. Das änderte sich erst am 1. Januar 1947 als Bremen zur amerikanischen Besatzungszone wurde. Jedoch war der Behördenapparat zu klein dimensioniert und die Auswahl des Personals problematisch. Zudem erwies die Klärung der Frage, was eigentlich ein NS-Verbrechen ist, sich in der Praxis als schwierig.

Adolf Frank baute seine Textilvertretung wieder auf, feierte 1949 zusammen mit seinem 70. Geburtstag das 70-jährige Bestehen der Unternehmung. Er starb am 5. März 1958, seine Witwe führte die Vertretung fort.

Quellen und Bildmaterial: StA Bremen 4.66 – I. 3049

Veröffentlicht am und aktualisiert am 22. Juli 2023

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