Die Städtische Galerie in Bremen zeigte 2009 Kunstwerke Bremer Künstler, die unter dem NS-Regime als „entartet“ galten. Am Eingang der Ausstellung war ein großformatiges Ölgemälde mit vier nackten, nordischen Schönheiten platziert, „Die vier Elemente“ des Kunstfunktionärs und Malers Adolf Ziegler. Dies Gemälde hing zeitweilig in Adolf Hitlers Münchener Hauptquartier.
Wer war Adolf Ziegler, der am 16. Oktober 1892 in der Bremer Neustadt geboren wurde, bis 1909 die Oberschule Am Barkhof besuchte und Kunst in Weimar, München und Kassel studierte?
Aus künstlerischer Sicht folgte er Anfang der 1920er Jahre zunächst den Ideen des Expressionismus, später wurde er bekannt für seine detaillierte Pinselführung, insbesondere in seinen Aktbildern, vom Volksmund deshalb als „Meister des Schamhaars“ betitelt. Adolf Hitler sprach beim Anblick von dessen Aktbildern vom „besten Fleischmaler der Welt“. Doch beruflich kam Adolf Ziegler über den Status eines Auftragskünstlers nicht hinaus.[1]
Dass Ziegler letztendlich ein einflussreicher Mann wurde, verdankte er unter anderem seinem (zukünftigen) Schwiegervater, der ihm ein Treffen 1925 mit Adolf Hitler möglich machte. Der NSDAP schloss sich Ziegler 1929 an. Mit einem Lehrauftrag und einer ordentlichen Professur für Maltechnik in München begann ab 1933 seine Karriere, die ihren Höhepunkt 1936 erreichte mit der Ernennung zum Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste. Verantwortlich für die Diskreditierung, Verfolgung und Unterdrückung moderner Kunst, erhielt er von Joseph Goebbels per Dekret vom 30. Juni 1937 den Auftrag die deutschen Museen und Galerien von „entarteter Kunst“ zu „säubern“. Die beschlagnahmten Exponate wurden im Sommer 1937 mit der Ausstellung „Entartete Kunst“ dem breiten Publikum vorgestellt und ging als Wanderausstellung bis 1941 durchs Deutsche Reich.
Zur Vorbereitung der Ausstellung reiste Ziegler und eine fünfköpfige Kommission durch 32 deutsche Museen und Galerien. Er kam gleich zweimal in die Bremer Kunsthalle, im Juli und August 1937 und beschlagnahmte mehrere Dutzend Gemälde, Grafiken und Aquarelle. In Fachkreisen wird durchaus vermutet, die „Säuberung der deutschen Kunst“ ging mit großer Willkür einher, nicht selten „geprägt von persönlichen Befindlichkeiten“. Der Bremer Kunsthalle gelang es expressionistische Grafiken im Keller der Kunsthalle zu verstecken und sie damit vor der Beschlagnahmung zu bewahren. Andere Bilder mussten auf Anweisung ins Depot verbannt werden. In Bremen wurden laut dem „Beschlagnahme-Inventar“ Werke von 22 Künstler aus Bremen und dem Bremer Umland konfisziert. Der damalige Direktor der Kunsthalle Bremen Emil Waldmann verhandelte mit Adolf Ziegler, wodurch Werke der Kunsthalle erhalten blieben.
Schon 1934 wurden die Säle der Bremer Kunsthalle, in denen Werke u.a. von Edvard Munch und den deutschen Expressionisten hingen, mit einem Vorhang abgetrennt. Ein Schild mit der Aufschrift „Ausländer und Moderne“ verdeutlichte, wie die Machthaber diese Kunst einschätzten – „entartet“. Ähnliches war bei Ausstellungen in der Böttcherstraße zu finden. Ludwig Roselius stellte Bilder von Paula Becker-Modersohn hinter einem roten Vorhang aus. Wer sich die Werke anschauen wollte, hatte sich in ein Heft einzutragen, welches bei der Gestapo abzugeben war.
Mit Blick auf das fortgeschrittene Kriegsgeschehen diskutierte Ziegler im Freundeskreis über Möglichkeiten der Beendigung des Krieges. Doch Adolf Ziegler wurde denunziert, von der Gestapo verhaftet wegen des Vorwurfs des Defätismus und am 13. August 1943 ins KZ Dachau eingeliefert. Obwohl in Ungnade gefallen, sorgte Hitler angeblich für dessen Freilassung am 15. September. Ziegler verlor seinen Posten als Präsident der Reichskammer für bildende Künste und musste auch seine Professur aufgeben, die Versetzung in den Ruhestand erfolgte auf Betreiben Hitlers erst zum 31. Oktober 1944.
Nach dem Krieg stufte der Hannoveraner Entnazifizierungs-Hauptausschuss den ehemals hohen NS-Funktionsträger von der beantragten Kategorie „Hauptschuldiger“ zum „Mitläufer“ herunter, weil er unter anderem „wiederholtes tolerantes Verhalten gegenüber rassisch verfolgten Künstlern“ gezeigt habe. Der mit ihm befreundeten Bildhauer Arnold Rechberg behauptete später, man müsse davon ausgehen, dass Zieglers pro-nationalsozialistische Aktivitäten von einem unpolitischen, naiven Charakter ausgingen, der – wie so viele Parteiträger im Dritten Reich – zu schnell „nach oben geschwemmt wurde“.[2]
Adolf Ziegler starb am 18. September 1959, seine Urne wurde im Grab seiner Eltern auf dem Osterholzer Friedhof in Bremen beigesetzt.
Quellen und Literatur:
Barkhausen, Karl-Ludwig: Zuflucht in der Heide – der ehemalige Präsident der Reichskammer der Bildenden Künste Prof. Adolf Ziegler in Wesseloh und Soltau (1945-1957);
Hethey, Frank: „Der beste Fleischmaler der Welt“, Weser Kurier 15.10.22;
Manske, Hans-Joachim/Birgit Neumann-Dietzsch (Hrsg.): „Entartet“ – beschlagnahmt, Bremer Künstler im Nationalsozialismus, Bremen 2009;
https://www.staedtischegalerie-bremen.de/archiv/
https://www.spiegel.de/geschichte/
Fotoquellen: Völkischer Beobachter, Münchner Ausgabe, 17. Juli 1937 / https://grabsteine.genealogy.net / Foto Kornelia Renemann 2023
[1] Erst 1937 wurden seine Bilder der Öffentlichkeit vorgestellt.
[2] Bundesminister Hans-Christoph Seebohm (1949-1966) war davon überzeugt, dass Ziegler im Grunde kein Nationalsozialist war. Kunsthistoriker Birgit Neumann-Dietzsch und Rainer B. Schossig behaupten, Adolf Ziegler „… verkörperte den willigen Kultur-Paladin, der behilflich war, die Kunst der Moderne in nur vier Jahren aus Deutschland zu vertreiben.“
Veröffentlicht am 15. März 2023 und aktualisiert am 9. Mai 2024