Über Bremer SPD-Frauen in der Nachkriegszeit zu sprechen, ohne Anna Stiegler zu erwähnen – das geht gar nicht.
Anna Stiegler wurde am 21. April 1881 in Penzlin/Güstrow (Mecklenburg) geboren und zog 1903 gemeinsam mit ihrem ersten Ehemann, dem Schneidermeister Konrad Vogt, nach Blumenthal. Nach dem Parteitag der SPD im Jahr 1904 schloss sie sich einer sozialdemokratischen Frauengruppe an und trat 1908 in die SPD ein. Kurze Zeit später ließ sie sich von ihrem Ehemann scheiden und heiratete 1916 den Buchdrucker Carl-Friedrich Stiegler.
Anna Stiegler engagierte sich schon früh, insbesondere in der Frauen- und Sozialpolitik. 1917 schloss sie sich der USPD an wegen der fortgesetzten Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten. Auf der Liste der USPD zog sie als eine der ersten 18 Bremerinnen, die nach der Einführung des Frauenstimmrechts Abgeordnete wurden, in die Bremische Nationalversammlung, 1920 in die Bremische Bürgerschaft ein. Anna Stiegler trat 1922 wieder in die SPD ein und blieb – mit Ausnahme der 12 Jahre NS-Herrschaft – bis zu ihrem Tod 1963 deren Bürgerschaftsabgeordnete.
Nach dem Verbot der SPD 1933 durch die Nationalsozialisten führte Anna Stiegler ihre Parteiarbeit konspirativ weiter und gehörte zur Führungsspitze des sozialdemokratischen Widerstands in Bremen. Nach Verrat an die Gestapo wurde sie und ihr Mann 1935 verhaftet und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, die sie im Frauenzuchthaus Lübeck absaß. Anschließend wurde sie bis zum Kriegsende im Frauen KZ Ravensbrück gefangen gehalten.
Nach fast elfjähriger Zuchthaus- und Konzentrationslagerhaft kehrte Anna Stiegler im Januar 1946 nach Bremen zurück. Der Weser-Kurier berichtete am 2. Februar 1946 von der von 500 Frauen besuchten Feierstunde, die der Heimkehr dieser Genossin gewidmet war. In Bremen musste sie erfahren, dass ihr Mann Carl seinen KZ-Aufenthalt nicht überlebt hatte.
In den Nachkriegsjahren bis zu ihrem Tod widmete sie sich engagiert sozial-, frauen- und friedenspolitischen Fragen. Frauen zur Mitarbeit in der Politik zu motivieren, war ihr stets ein wichtiges Anliegen. Anna Stiegler gehörte neben dem langjährigen einzigen weiblichen Senatsmitglied Annemarie Mevissen zu den wenigen einflussreichen Frauen in der Bremer Nachkriegs-SPD.
Anna Stiegler verstarb am 23. Juni 1963 in Bremen. Im Bremer Stadtteil Kattenturm wurde eine Straße nach ihr benannt und im Stiftungsdorf Blumenkamp in Bremen-Sankt Magnus wurde 1988 ein Wohnhaus ebenfalls nach Anna Stiegler umbenannt.
Gekürzter Text der Historikerin Renate Meyer-Braun.
Foto von Karl Edmund Schmidt, Bremer Staatsarchiv.