Am Rönnebecker Hafen in Blumenthal liegt die Bahrsplate. Der Grünanlage sieht man heute nicht an, dass sich hier im Zweiten Weltkrieg in unterschiedlichen Zeitabschnitten zwei Arbeitslager und ein KZ befanden, in denen Menschen zur Arbeit gezwungen wurden und einer unmenschlichen Behandlung unterlagen. Die drei gehörten zu den insgesamt ca. 70 Lagern und Unterkünften für Zwangsarbeiter in Bremen-Nord.
Um den Mangel an Arbeitskräfte auszugleichen, beantragte 1942 die Deschimag/A.G. Weser den Zwangseinsatz von osteuropäischen Arbeitskräften für den Bau von Rüstungsschiffen. Sie pachtete dazu das Areal des Volksparks Bahrsplate in Bremen-Blumenthal. Im östlichen Teil entstand ein sog. Ostarbeiterlager; hier wurden Zwangsarbeiter bis April 1945 aus der Sowjet-Union untergebracht. Die Werft mietete ebenfalls Gebäude von der benachbarten Bremer Wollkämmerei, u.a. den sog. Hochbau an und sicherte sie gegen das restliche Firmengelände mit Zäunen ab. Hier arbeiteten die Arbeitskräfte aus dem Ostarbeiterlager.
Im westlichen Teil der Bahrsplate richtete die Firma Deschimag/A.G. Weser das sog. „Russenlager“ ein, in dem ca. 500 sowjetische Kriegsgefangenen untergebracht waren. Sie waren bedingt durch eine mangelhafte Ernährung und die harte Arbeit, die sie zu leisten hatten, in der Regel in einer schlechten körperlichen Verfassung. Nach deren Verlegung wurden im August 1944 Häftlinge des KZ Neuengamme bei Hamburg in den Baracken untergebracht. Es wurde dann „Arbeitslager Blumenthal“ genannt.
Das Lager war umgeben von einem doppelten Stacheldrahtzaun und verfügte über einen Appellplatz, acht Baracken als Unterkünfte der Häftlinge, eine Schreibstube, ein Krankenrevier, ein Wirtschaftsgebäude, Sanitärgebäude, eine Kleiderkammer sowie eine eigene Quarantäneanstalt, zur Bekämpfung von Infektionen und Epidemien.
Ca. 1.000 KZ-Häftlinge mussten für die Deschimag/A.G.Weser in den Metallwerkstätten des obengenannten Hochbaus auf dem Gelände der Bremer Wollkämmerei arbeiten. Ein zweites Arbeitskommando wurde bis zum 24. Dezember 1944 täglich per Schiff zur Stammwerft der AG Weser in Bremen-Gröpelingen gebracht. Danach wurden 200 von ihnen ins KZ Lager „Schützenhof“ in Gröpelingen überstellt. Für andere Häftlinge der Bahrsplate gab es zeitweise Arbeitseinsätze beim Bau der U-Boot Werft „Valentin„.
Von August ’44 bis April ’45 verloren im „Lager Blumenthal“ mindestens 125 der fast 1.200 Häftlinge ihr Leben.
Die größten Häftlingsgruppen in diesem Lager stellten die Belgier (siehe Bild vom ehem. Häftling Jean-Marie van den Eynde), Franzosen, Polen, Dänen, Tschechen und Sowjets; zeitweise gab es außerdem einen gesonderten Block mit jüdischen Häftlingen, die aus dem KZ Sachsenhausen nach Bremen-Nord überführt worden waren.
Die Wachmannschaften bestanden aus einer kleinen Zahl von SS-er und aus frontuntauglichen Marinesoldaten. Kommandoführer war der SS-Hauptscharführer Richard-Johann vom Endt. Gemeinsam mit deutschen Funktionshäftlingen sollten die Wachmannschaften die Gefangene in Schach halten. Diese Funktionshäftlinge waren meist Berufsverbrecher und trugen einen grünen Winkel auf ihre Kleidung, damit sie von den sonstigen Häftlingen unterschieden werden konnten. Ihr Anführer, der Chefkapo, war Karl Decker. Die meisten dieser Funktionshäftlinge übten brutale Gewalt aus bei der Disziplinierung der Häftlinge.
Für das Lager ist ein spektakulärer, aber leider misslungener Ausbruchsversuch dokumentiert. Französischen Häftlingen gelang in mühevoller Nachtarbeit der Bau eines Tunnels von der längs der Weser gelegenen Baracke 7 unter dem doppelten Stacheldrahtzaun hindurch. Da der Tunnel jedoch ungenügend abgestützt war, brach er unter dem Gewicht eines Fahrzeugs zusammen.
Am Rande des Ortes Blumenthal gelegen, konnte das Lager von Anwohner/innen eingesehen werden. Als am 29. Oktober 1944 zwei Polen auf dem Appellplatz gehenkt wurden, wurden neben den angetretenen Häftlinge und Wachmannschaften auch viele Blumenthaler Zeugen dieser Hinrichtung.
Vermutlich am Montag, d. 9. April 1945 wurde das Lager evakuiert, in dem man die Gefangenen von Blumenthal zum KZ-Lager in Farge-Rekum brachte. Bereits am 7. April waren Gefangene aus dem KZ Schützenhof in Gröpelingen zurück an die Bahrsplate geführt worden.
Von Farge-Rekum wurde der Todesmarsch mit allen Gefangenen in Richtung Neuengamme in Gang gesetzt. Vorher hatte die SS im Lager sämtliche Akten verbrennen lassen.
Trotz Ermittlungen deutscher und ausländischer Justizstellen wurde keine der Täter, die für das brutale Regime im Lager verantwortlich waren, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.
Nach der Befreiung wurde das Lager an der Bahrsplate vorübergehend von polnischen „Displaced Persons“ bewohnt. Anschließend zogen Flüchtlingsfamilien aus dem Osten ein. Die letzten Baracken auf dem Gelände wurden abgerissen, nachdem sie 1962 bei einer Sturmflut unbewohnbar geworden waren.
Heute erinnern die Gedenkstätte “Rosen für die Opfer” und die Skulptur “Stein der Hoffnung” an das ehemalige Lager. Bisher sind die Namen von 124 Häftlingen bekannt und in den Steinen eingraviert, die an Krankheit, Hunger, Misshandlungen und Vernachlässigung zugrunde gegangen sind. Die Gedenkstätte und die Skulptur gehen zurück auf die Initiative des antifaschistischen Arbeitskreises bzw. der Internationalen Friedensschule des Gustav-Heinemann-Bürgerhauses in Vegesack.
Der „Stein der Hoffnung“ wurde von einer Klasse der Berufsschule an der Alwin Lonke Straße entworfen und errichtet.
Quelle: Karsten Ellebrecht „Ihr habt keinen Namen mehr! Die Geschichte des KZ-Außenlagers Bremen-Blumenthal“, Edition Falkenberg.
Weitere Informationen zur Situation von Kriegsgefangenen stehen hier zum Download bereit:
Zum Artikel hätte ich eine Frage.
Gibt es heute noch Listen von „Angestellten“ des Lagers. Z.B. von Leuten, die in der sog. Schreibstube gearbeitet haben, beim „Personalchef“.
Schöne Grüße
heide Rabe