Bernhard Huys von Bremer Gestapo verhaftet

25. August 1943
Am Wall 199, Bremen-Mitte

Bernhard Huys war Landschaftsmaler und Bilderrahmenmacher in Worpswede. Huys gehört der auf Heinrich Vogeler und Paula Modersohn folgenden Künstlergeneration an.
Im August 1943 wurde er durch eine Nachbarin wegen Abhörens von englischen Sendern denunziert. Am 25. August 1943 erfolgte ein Verhör und die anschließende Festnahme durch die Gestapo in Bremen, er wurde zur „Schutzhaft“ ins Polizeigefängnis Bremen eingewiesen. Am 9. Oktober 1943 wurde er mit Haftbefehl in das Untersuchungsgefängnis Wesermünde-Lehe und anschließend in das Straf- und Untersuchungsgefängnis Hannover eingewiesen.

Der Prozess fand am 7. Dezember 1943 vor dem Sondergericht Hannover statt, welches ihn zu zwei Jahren Zuchthausstrafe „wegen fortgesetzten Verbrechens nach § 1 der Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. September 1939“ verurteilte. Das Gericht folgte damit dem Antrag des Staatsanwalts. Der Staatsanwalt hatte den weit über dem Durchschnitt liegenden Strafantrag mit der angeblichen Staatsfeindlichkeit des Angeklagten begründet. Das wichtigste Beweismittel der Anklage war ein handbeschriebener Zettel, den Huys in einem von einer Nachbarin entliehenen Buch als Lesezeichen benutzt und vergessen hatte. Auf diesem Zettel hatte Huys Stichworte aus einer Sendung des Londoner Rundfunks vom Juli 1943 notiert.

Der Text lautet:

„Eicke gefallen, früher Kommandant von Dachau
Hamm, Bahnhöfe zerstört, Rotterdam Werften zerstört
Hamburg 21.000 Sprengbomben und 1000de Brandbomben
Himmler ist Sadist nicht aus Perversität, sondern aus Überzeugung. …“

Als weiteres Beweismittel der Anklage diente eine Abschrift eines Gedichtes von Gottfried Keller, die bei Huys bei einer Hausdurchsuchung gefunden worden war. Die Gestapo glaubte darin – gewiss zu Recht – eine Charakterisierung des NS-Regimes zu erkennen.

„Ein Ungeziefer ruht in Staub und trocknem Schlamme
Verborgen, wie die Flamme in leichter Asche tut.
Ein Regen, Windeshauch erweckt das schlimme Leben,
Und aus dem Nichts erheben sich Seuchen, Glut und Rauch.

Aus dunkler Höhle fährt ein Schächer, um zu schweifen,
Nach Beuteln möchte er greifen – und findet bessern Wert:
Erfindet einen Streit um nichts, ein irres Wissen,
Ein Banner, das zerrissen ein Volk in Blödigkeit.

Gehüllt in Niedertracht, gleichwie in einer Wolke,
Ein Lügner vor dem Volke, ragt bald er groß an Macht
Mit seiner Helfer Zahl, die hoch und niedrig stehend,
Gelegenheit erspähend, sich bieten seiner Wahl.…“

Nach Verlegung ins Zuchthaus Celle (für einen Monat) kam er bis zum 17. Mai 1945 ins Zuchthaus Hameln. Hier begann für Huys eine seelische und körperliche Leidenszeit. Ein Briefwechsel war nur mit der Ehefrau erlaubt. Nach sechsmonatiger Wartezeit durften im Abstand von vier Monaten Briefe gewechselt werden. Besuche der Ehefrau waren nach Oktober 1944 gänzlich unmöglich.

Huys wurde im Zuchthaus auf Außenarbeiten als Zimmermann eingesetzt und musste „durch allzu schweres Balkentragen und Ziehen des Handwagens auf bergigen Straßen bei schlechter Ernährung mehr leisten … als möglich war“ (Nachlass Huys). Durch „kaltes Liegen, dünne Bekleidung und Winterfahrten auf offenem Lastwagen“ (Nachlass Huys) zog er sich chronische Leiden zu. Über ein viertel Jahr verbrachte Huys im Lazarett des Zuchthauses, zuerst als Patient, später als Pfleger. Am 23. Februar 1945, nach Abbüßen von 2/3 der Strafe, stellte Huys ein Gnadengesuch. Das Gnadengesuch wurde von Direktor Stöhr nicht befürwortet (19. März 1945) und infolgedessen abgelehnt. So musste Huys bis zum 7. April 1945, dem Tag der Befreiung des Zuchthauses durch US-Soldaten, warten. Er wurde von den Amerikanern unverzüglich in Freiheit gesetzt und stellte sich der Besatzungsmacht als Helfer bei der Reorganisation der Zuchthausverwaltung zur Verfügung. Am 17. Mai 1945 wurde er „auf Anordnung der Militärregierung“ vorzeitig entlassen.

Quellen:
Häftlingsakte im Hauptstaatsarchiv Hannover
Archiv Till Huys, Worpswede
Wolf-Dieter Mechler: Kriegsalltag an der „Heimatfront“. Das Sondergericht Hannover im Einsatz gegen „Rundfunkverbrecher“, „Schwarzschlachter“, „Volksschädlinge“ und andere „Straftäter“ 1939-1945, Hannoversche Studien Band 4, Hannover 1997

Veröffentlicht am und aktualisiert am 25. Mai 2023

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