Seit 1909 war die Polizei in Bremen im Gebäude am Wall 201 untergebracht. Nach der Niederschlagung der Bremer Räterepublik in 1919 wurde die Polizei maßgeblich unter dem ex-Freicorpsleiter Walter Caspari umstrukturiert. Sie erhielt u.a. eine soldatische Ausrüstung und während der Ausbildung wurden die angehenden Schutzmänner kaserniert untergebracht. Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 wurde auch die Polizei den politischen Zielen dieser untergeordnet. Die Politischen Polizei, als Teil der Kripo, wurde am 16. Juni 1933 in „Geheime Staatspolizei“ (Gestapo) umbenannt. Sie war durchsetzt mit Freicorpsmitgliedern, die Ende des Ersten Weltkrieges gegen die Bremer Räterepublik eingesetzt worden waren. Ihren Sitz hatte die Gestapo, darunter auch das sog. „Judenreferat„, im benachbarten Haus Am Wall 199. Allmählich setzte sich im Gestapo Apparat durch, dass Voraussetzung für eine Aufnahme die Mitgliedschaft in der NSDAP und SS war.
Am 6. März 1933 hatten die Nazis vollends diese Zentralpolizeistelle übernommen; insbesondere die Karteidateien und Spitzelverbindungen standen nunmehr den Nazis für die Ausübung ihres Terrorsystems zur Verfügung.
Nicht nur die Gestapo, sondern alle Sparten der Polizei in Bremen arbeiteten mit an der Durchsetzung der Ziele des NS-Staates. Am 8. März 1933 ging die Leitung der Polizei über an den Kaufmann Theodor Laue, der selbstverständlich ebenfalls der NSDAP angehörte, aber auch Sturmbannführer der SA war. Dies geschah nicht widerstrebend oder unter Zwang, sondern freiwillig oder aus Opportunismus. Viele Polizeibeamte in Bremen schlossen sich nach der Machtergreifung Hitlers der „Regierung der nationalen Erhebung“ an und wurden Mitglied der NSDAP oder ihrer Gliederungen. Politisch nicht genehme Beamten wurden aus dem Dienst entfernt, darunter der bisherige Polizeipräsidenten Leopold Petri, Kriminaldirektor Dietrich Linnemann sowie der Polizeimeister Franz Noch (der nach der Befreiung Chef der Polizei werden würde).
Eine der ersten Gelegenheiten, die Verbundenheit der Polizei mit dem „neuen“ Staat zu zeigen, war der 21. März 1933. In der Potsdamer Garnisonskirche wurde an diesem Tag der neue Reichstag eröffnet. Reichspräsident von Hindenburg und Reichskanzler Hitler reichten sich symbolträchtig die Hand. Auf dem Bremer Marktplatz paradierte anlässlich des „Tages von Potsdam“ die Ordnungspolizei einträchtig neben der SA, SS und dem „Stahlhelm“. Bis zu 100 Angehörige der SA, SS, Stahlhelm und „Kampfbund Niedersachsen“ werden unter Führung des SS-Führers Löblich zu Hilfspolizisten ernannt.
Auch Bremens Polizei verstand sich fortan als „Hüterin“ des nationalsozialistischen Staates. Hitler formulierte 1937 dazu den Leitgedanken: „Jeder Polizist ist als Repräsentant des Staates der beste Freund des Volkes. Als Repräsentant des Staates ist er aber auch der unerbittliche Vertreter der Volksgemeinschaft gegenüber jenen asozialen verbrecherischen Elementen, die sich an ihr versündigen.“ Heinrich Himmler stellte die Polizei weitgehend außerhalb des Gesetzes. Sie sollte nur nach den Befehlen der Führung des Staates bzw. der Partei tätig werden. Der Chef der Ordnungspolizei Daluege brachte es 1937 auf den Punkt: „Die deutsche Polizei soll eine festgefügte, auf die Befehle des Führers wartende Gemeinschaft von Nationalsozialisten sein, die… sich in ständiger Einsatzbereitschaft nach den jeweiligen Aufgaben richtet, die ihr zum Wohle der Volksgemeinschaft gestellt werden…“ Um diese Verbundenheit mit der „Volksgemeinschaft“ deutlich zu machen, wurde seit 1934 in ganz Deutschland alljährlich ein „Tag der Deutschen Polizei“ organisiert.
Die Leitung der Kriminalpolizei übernahm der SA-Sturmführer Krebs, der gleichzeitig auch Leiter der Gestapo war. Krebs behielt diese Stelle jedoch nur ein Jahr. Unter seiner Führung wurden bei der Kripo mehrere SA Leute als „Hilfskriminalangestellten“ eingestellt. Zu diesen gehörte u.a. der als brutaler Schläger bekannte SA Sturmbannführer Otto Löblich, der später sogar zum Staatsrat befördert wurde, sowie Justus Brehm. Auf dieser Weise gelang es immer mehr die NS Ideologie in den Polizeiapparat durchzusetzen, wozu auch interne Schulungen durchgeführt wurden. Ein wesentlicher Anteil daran hatte der SS-Obersturmführer Schmitz-Voigt, der Anfang August 1939 nach Prag versetzt werden sollte. An seiner Stelle kam Anfang Januar 1940 aus Breslau der Oberregierungs- und Kriminalrat König, der wiederum Ende August 1941 durch Hahn aus Danzig ersetzt wurde. Angeblich soll die Kripo am 5. April 1945, also kurz vor der Befreiung der Stadt, sämtliche geheime Akten auf dem Innenhaus des Polizeihauses verbrannt haben. Der letzte Leiter der Kripo, Dr. Barth, floh am 22. April 1945 nach Hamburg, während sein Stellvertreter Carl Krämer seine Aufgaben übernahm.
Im Polizeihaus war bei der Kripo u.a. die „Dienststelle für Zigeunerfragen“ angesiedelt, das die Deportation sämtlicher Sinti und Roma aus Bremen und Nordwest-Deutschland in die Vernichtungslager organisierte. Ihr Leiter war zeitweise Wilhelm Mündtrath. Die Polizei beteiligte sich auch an die Erfassung von Bremischen Bürger/innen, die nach der herrschenden „Erb- und Rassenlehre“ zwangssterilisiert werden sollten, was in einzelnen Fällen auch tatsächlich geschah.
Desweiteren gab’s hier ein Referat „Kirchen und Sekten“, das u.a. zuständig war für die Verfolgung der Zeugen Jehovas. Bei deren Verfolgung spielte vor allem der Kripo Sachbearbeiter Hermann Rohlfing eine wichtige Rolle. Insgesamt 73 Zeuge Jehovas wurden alleine in Bremen verhaftet. Neun von ihnen verstarben in der Haft, vier davon, weil sie hingerichtet wurden, darunter Alfred Bostelmann aus der Neustadt.
Teile der Bremer Polizei, die kasernierten ca. 1.100 „grünen“ Polizisten, werden 1937 zu einer Hundertschaft innerhalb der „Gruppe Nordmark“ der Wehrmacht zusammen geführt. Es entstehen das Reserve-Polizeibataillon 105 und das Polizeibataillon 303. Sie beteiligen sich an die Einverleibung von Österreich und vom Sudetenland in das Deutsche Reich. Später werden sie sich an der massenhaften Ermordung von Zivilisten in den von der Wehrmacht besetzten Nord-Ost und Ost-Europa, sowie an der Deportation der niederländischen Juden, Sinti und Roma aus Westerbork beteiligen.
Am 26. April 1945 werden annährend 3.000 Mitglieder der Polizei inhaftiert, u.a. im Weser Stadion. Der Großteil von ihnen wird bei der nachfolgenden „Entnazifizierung“ als „Mitläufer“ eingestuft. Auch aus den Bremer Polizeibataillonen wurden niemand verurteilt. Ca. 150 von ihnen werden weiterhin ihren Dienst im jetzt demokratischen Deutschland versehen.
Im Polizeihaus selbst wurde auf dem Innenhof nach dem Krieg jede Menge aufgefundener Munition, Minen, Panzerfäusten etc. eingesammelt. Am 4. Juni 1945 ist durch unsachgemäßes Handeln diese Munition explodiert. Zwei Kriminalbeamten, vier amerikanische GI’s und 41 Zivilisten fanden bei der gewaltigen Explosion den Tod, 32 Personen wurden schwer verletzt. Das Dienstgebäude wurde schwer beschädigt, jedoch später wieder erneuert. Heute ist im ehem. Polizeihaus die Stadtbibliothek Bremen untergebracht.
Diesen Beitrag konnte wesentlich mit freundlicher Unterstützung und Erlaubnis der Projektgruppe der Bremer Ausstellung „Polizei.Gewalt. Bremens Polizei im Nationalsozialismus“ von 2011 verfasst werden.
Veröffentlicht am 4. November 2011 und aktualisiert am 28. April 2023