Carl Krämer wurde am 8. Dezember 1882 in Sprendlingen bei Mainz geboren. Nach dem Umzug der Eltern nach Leipzig besuchte er dort die Kunstgewerbeschule und wurde Lithograph. 1904 kam er nach Bremen und trat am 1. Oktober 1907 in den Bremer Polizeidienst als Schutzmann ein. 1910 heiratete er seine aus dem Buntentor stammende Frau Gesine, geb. Goldstein. Das Ehepaar hatte eine Tochter. Möglicherweise wohnte das Ehepaar seit diesem Zeitpunkt in dem Haus in der Nettelbeckstraße 17, das er erst 1971 mit seinem Umzug in ein Seniorenwohnheim in der Marcusallee 39 in Bremen-Horn verlassen sollte (seine Frau war 1958 gestorben). Im Ersten Weltkrieg war er Soldat, u.a. bei der Feldpolizei in Polen, und wurde in Frankreich verwundet.
Nach dem Krieg trat er in die Kriminalpolizei ein, 1921 wird in „den leitenden Dienst“ übernommen. Am 1. März 1941 wurde er Kriminaldirektor. Er leitete die Inspektion II und war stellvertretende Leiter der Bremer Kriminalpolizei. Sein Vorgesetzter war Kriminalrat Hahn. Zur Inspektion II gehörte auch die so genannte „Dienststelle für Zigeunerfragen“, die von Kriminalsekretär Wilhelm Mündtrath geleitet wurde. Das Bremer Kripoleitstellengebiet umfasste ganz Nordwestdeutschland. Carl Krämer war also der Vorgesetzte von Wilhelm Mündtrath und somit unmittelbar mitverantwortlich und beteiligt an der NS-Verfolgung der Sinti und Roma. 1937 trat Krämer der NSDAP bei.
1943 wurde Carl Krämer, wie Mündtrath, das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse mit Schwertern verliehen. Diese „Auszeichnung“ war die höchste für Zivilisten. Für welche konkreten Leistungen den beiden Kripo-Beamten diese Auszeichnung zuteil wurde, ist ungeklärt. Zu beachten ist, dass es z.B. auch Angehörige der Ordnungspolizei für ihre Teilnahme an Massenmorden verliehen wurde.
Am 30. April 1945 kam er in britische Internierung, bis zum August in einem Lager bei Lüneburg. Er war vom Dienst bei der Kripo am 10. Oktober 1945 von der Militärregierung entlassen worden und blieb es auch. Am 1. August 1946 schied er aus dem Kripodienst endgültig aus und trat wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand.
Am 28. Oktober 1952 erhielt er trotz seines Ausscheidens aus dem Dienst aus Anlass der „Vollendung einer 40-jährigen ehrenvollen Dienstzeit“ vom Bremer Senat sowohl „aufrichtige […] Glückwünsche in Form eines Dank- und Anerkennungsschreibens“ und ein Geld- (200 DM) und Sachgeschenk (6 Flaschen Wein im Wert von 4-5 DM pro Flasche) aus dem Bremer Ratskeller.
Carl Krämer starb im Alter von 105 Jahren am 17. Januar 1988 in Bremen. Beerdigt ist das Ehepaar in Bremen-Huckelriede.
Die besondere Rolle Krämers ergibt sich vor allem durch seine Tätigkeit als eine Art Geschichtsschreiber der Bremer Kriminalpolizei. Er prägte somit das Bild, das wir von der Kriminalpolizei in der NS-Zeit haben, maßgeblich. Aber er war kein objektiver Historiker, sondern schrieb in eigener Sache, wobei zu berücksichtigen ist, dass seine Expertise sehr geschätzt wurde, eine sehr seriöse Quelle aus erster Hand sozusagen. Diese ‚Quelle‘ ist aber nur sehr eingeschränkt als seriös einzuordnen. Ihr Wert liegt nicht so sehr darin begründet, dass wir durch ihn Informationen über die Arbeit der Bremer Kripo an der NS-Zeit erhielten, sondern vielmehr steht Krämer beispielhaft dafür, wie sehr die Aufarbeitung der Kripo als Täterinstanz nach 1945 scheiterte und sich im Gegenteil quasi selber entschuldete, ja, entnazifizierte. Ein Schuldbekenntnis, eine Einsicht in die eigene Mittäterschaft sucht man vergeblich.
Krämer entlastete nicht nur Mündtrath, sondern auch zahlreich weitere Beamte, im Übrigen auch Gestapobeamte, wie zahlreiche „Entlastungsschreiben“/Persilscheine zeigen und die im Staatsarchiv dokumentiert sind. Darunter für seinen Vorgesetzten Kriminalrat Hahn, Polizeisenator Theodor Laue und die Gestapobeamten Bruno Nette (Judensachbearbeiter) und Heinrich Herrlein.
Dr. Hans Hesse
Literatur:
Hesse, Hans, „Ich bitte, die verantwortlichen Personen für ihre unmenschlichen barbarischen Taten zur Rechenschaft zu ziehen“ – Die Deportation der Sinti und Roma am 8. März 1943 aus Nordwestdeutschland, Bremen 2022, Foto S. 28.
Krämer, Carl und Richard Siebke, „Mehr als sieben Stunden“, Bremen 1989.
Quellen:
StAB, 7.217, 5, Eidesstattliche Erklärungen von Carl Krämer für diverse Einzelpersonen in deren Entnazifizierungsverfahren.
StAB, 4.66 – I. Kraekel, Max – Krämer, Carl, Entnazifizierung.
StAB, 4,10-Akkz. 32-43, Personalakte, beginnt aber erst 1946.