Ursprünglich war der „Schützenhof“ ein Ausflugs- und Vergnügungsort vor den Toren der Stadt. 1907 errichtete die Bremer Schützengilde von 1904 e.V. dort eine Schießanlage und eine Gaststätte. Nach einer zwangsverfügten Übereignung des Geländes der Bremer Schützengilde wurden dort mit Kriegsbeginn am 1. September 1939 über 250 indische Seeleute der Deutschen Dampfschifffahrtsgesellschaft Hansa interniert. Als Commonwealth-Angehörigen galten sie als Britten. Sie waren im Frühsommer 1939 in Kalkutta und Bombay angeworben wurden und auf deutschen Schiffen eingesetzt. Am 14. Februar 1940 wurden sie in die Niederlande abgeschoben.
Im Mai 1940 wurden im Sammellager „Schützenhof“ Sinti und Roma aus dem gesamten Weser-Ems-Gebiet der Kripoleitstelle Bremen interniert, bevor sie über Hamburg zum späteren Vernichtungslager Belzec in Polen deportiert wurden. Während mindestens 89 Sinti und Roma von Bremerhaven aus direkt nach Hamburg deportiert wurden, sind namentlich 42 Opfer bekannt, die über den Schützenhof nach Hamburg und dann nach Polen deportiert wurden.
Anschließend diente das Gebäude als Unterbringungsort für polnische zivile Zwangsarbeiter der Bremer Stadtwerke. Die polnischen Zwangsarbeiter waren gezwungen ein Kennzeichen mit der Buchstabe „P“ auf der rechten Brust zu tragen. Das Lager diente außerdem der Unterbringung der II. SS-Baubrigade, bestehend aus 250 KZ Häftlingen.
Oktober 1943 wurde der Schützenhof bei einem Bombenangriff zerstört. Auf den Resten wurden neue Baracken aufgebaut. Bereits in Januar 1944 wurden in den neuen Baracken Häftlinge, die direkt aus dem KZ Neuengamme bei Hamburg kamen, untergebracht. Ab Weihnachten 1944 wurden zusätzlich etwa 600-700 KZ-Häftlinge aus dem Außenlager Bahrs Plate (Blumenthal), die bis dahin täglich mit dem Schiff zu ihrer Arbeit auf der DESCHIMAG (A.G. Weser) befördert wurden, in den Schützenhof untergebracht, 30 Männer auf 5 mal 5 Metern. Auf der AG Weser mussten sie Bleche stanzen, Teile für Schiffsmotoren fertigen oder Granatenrohlinge drehen. Das von der DESCHIMAG eingerichtete Lager, das nunmehr ein Außenlager des KZ Neuengamme war, wurde überwacht von der SS.
1.054 Neuengamme-Häftlinge aus 17 Nationen durchliefen dieses Außenlager in Gröpelingen, darunter 464 Juden aus Ungarn, Polen oder Staatenlose, 265 Sowjetbürger, 144 Belgier, 55 Franzosen. 257 von ihnen starben laut Totenbuch von Neuengamme in etwas mehr als drei Monaten am Mangelernährung, Entkräftung oder Misshandlungen bei einem zehnstündigen Arbeitstag. Der Schützenhof hatte die höchste Tötungsrate sämtlicher über 400 Lager in Bremen.
Am 7. und 8. April 1945 begann für die 582 verbliebenen KZ-Häftlinge der zehntägige Todesmarsch über Farge-Rekum nach Neuengamme, bzw. mit einem Zug nach Bergen-Belsen (letzteres betraf die jüdischen Häftlinge, sowie kranke Häftlinge). Dieser Zug erreichte sein Ziel jedoch nicht, sondern landete schließlich in Sandbostel, wo die Überlebenden am 29. April 1945 von britischen Truppen befreit wurden. Viele der restlichen Häftlinge, die sich auf dem Todesmarsch befanden, fanden bei der Bombardierung der KZ-Schiffe Kap Arcona oder Thielbeck in der Nacht vom 3. zum 4. Mai in der Ostsee den Tod, auf die sie mit tausenden weiterer Neuengamme-Häftlinge getrieben worden waren.
Bei der Einnahme Bremens durch die britischen Truppen am 26./27. April 1945 fanden sie einen leeren Schützenhof vor. Später wurden in den Gebäuden Arbeiter der AG Weser mit ihren Familien untergebracht. Auch der Schützengilde nahm ihre Vereinsarbeit auf dem Gelände wieder auf. Mittlerweile sind auf dem Gelände sowohl der Schützengilde wie Handwerkbetriebe angesiedelt.
Eine erste Gedenktafel für die Opfer wurde am 29. April 2002 an der Mauer neben dem heutigen Schützenhof eingeweiht (siehe Bild). Eine zweite folgte am 29. August 2004. In drei Sprachen erinnert sie an die Toten aus dem belgischen 900 Seelen-Dorf Meensel-Kiezegem, 40 km von Brüssel. Bei zwei Razzien flämischer SS unter deutschem Kommando wurden 98 Bewohner listenmäßig selektiert und zu Verhören durch den Sicherheitsdienst nach Löwen und Brüssel gebracht. 68 von ihnen wurden Ende August 1944 ins KZ Neuengamme deportiert, zweiundzwanzig Dorfbewohner kamen in die Außenkommandos Blumenthal und Schützenhof, nur fünf überlebten.
Mehr über die KZ-Häftlinge auf der Werft findet man in einem Originaldokument der Geschichtswerkstatt Gröpelingen. Außerdem eine undatierte Rede von René Thirion (siehe Bild), ehem. belgischer Häftling des Lagers „Schützenhof“.
Quelle: u.a. Hans Hesse und Jens Schreiber „Vom Schlachthof nach Auschwitz“, Tectum Verlag Marburg 1999 S. 90/92, sowie die ausführliche Dokumentation von Uta Halle und Ulrike Huhn „Bremen-Gröpelingen, Bromberger Straße 117: Schützenhof – Internierungslager – Polenlager – KZ-Außenlager – Wohn und Arbeitsort“ aus dem Jahr 2019.
Bild: Aktuelles Bild des Schützenhofes aus 2015, freundlicherweise von Claudia Bade zur Verfügung gestellt.
Veröffentlicht am 30. Mai 2010 und aktualisiert am 24. Mai 2024