Auf dem Friedhof Buntentor befindet sich die vermutlich größte bislang bekannte Grabanlage in Bremen mit Menschen, die die NS-Verfolgung überlebt haben und hier beerdigt wurden. Es befindet sich auf dem Plan im Fach X (am Friedhofseingang an der Kornstraße) Innerhalb eines Areals von ca. 30 x 40 Metern sind hier vermutlich ca. 60 Sinti und Roma beerdigt von denen nachweislich 20 in der NS-Zeit verfolgt wurden.
Einzelne Gräber werden in amtlichen Dokumenten „Zigeunergräber“ genannt. Wie es zu diesem Begriff gekommen ist und wie oder wodurch ein „Zigeunergrab“ definiert wird, ist bis heute ungeklärt. Zu fragen ist ebenso, ob dieser Begriff heute noch in offiziellen Dokumenten in Gebrauch ist. Ungeklärt bleiben muss ebenso, wie es zur Einrichtung dieses speziellen Gräberfeldes kam. Eine naheliegende Annahme könnte die Nähe zum Wohnort sein. Der Friedhof Buntentor gehörte zum Wohnumfeld vieler Sinti und Roma, weshalb er als ein bevorzugter Beerdigungsplatz in Frage kam (das ehemalige so genannte „Landfahrerlager Warturm“ könnte zum Einzugsgebiet gehörig betrachtet werden). Möglicherweise wies der Friedhof aber auch Bestattungsmöglichkeiten (die Anlage von Gruften etwa) auf, die den nachfragenden Sinti und Roma-Familien entgegenkam.
Eine eingehende Analyse der Sepulkralkultur der Sinti- und Roma-Gräber kann an dieser Stelle nicht gegeben werden. Deshalb sei nur auf einige wenige Auffälligkeiten hingewiesen. An erster Stelle steht die Verwendung von Fotos auf den Grabsteinen. Dieses kommt in Norddeutschland nicht sehr häufig vor, sondern ist vor allem in Frankreich, Spanien und Italien stark verbreitet. In Gegenden mit überwiegender katholischer Konfession ist des Weiteren die Verwendung von Grablichtern häufiger zu finden. In Bezug auf die Gräber von Sinti und Roma kann man feststellen, dass auch hier sehr häufig Grablichter verwendet werden. Wie überhaupt feststellbar ist, dass auf den Gräbern von Sinti und Roma sehr häufig religiöse Motive verwendet werden, wie etwa Bibeln, Kreuze, Madonnenabbildungen, Engelskulpturen oder Bibelzitate.
Ein eindeutigeres Merkmal der Sinti und Roma-Gräber ist jedoch die Verzierung der Grabsteine mit persönlichen profanen Attributen, die auf den möglichen Beruf des Verstorbenen, seiner Vorlieben oder Eigenarten hinweisen. Hierzu gehören Abbildungen von Pferdeköpfen, Peitschen, Fahrräder, Teddys, Luftballons, stilisierte Herzdarstellungen oder Aschenbecher.
All diese Symbole und Attribute verweisen eindrücklich auf die enge Verbundenheit der Verstorbenen mit den Lebenden und ihr Nicht-Vergessen-Sein hin.
Eines der frühestens Gräber innerhalb dieses Grabfeldes ist das von Alfred Strauß. Es stammt aus dem Jahr 1974. Da unmittelbar hinter diesem Grab weitere Gräber mit dem Namen „Strauß“ zu finden sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Gräber der Familie Strauß mit zu den ersten dieses Gräberfeldes gehören.
Nähere Informationen konnten über die Gräber von Auguste Ernst, der Familie Reichert, Frieda Gottwald/Rudolf Schmidt und Luise Weiß recherchiert werden.
Des Weiteren befindet sich auf dem Friedhof Buntentor das wahrscheinlich älteste Sinti-Grab in Bremen: das der Familie Johann Dickel. Es wurde 1929 eingerichtet und ist im Februar 2020 in die „Liste besonders erhaltenswerter Grabsteine Friedhof Buntentor“ eingetragen worden. Im Mai 2022 wurde das Grab um einen Gedenkstein erweitert, der an das Schicksal der Familie in der NS-Zeit erinnert.
Aus der Kombination der Grabanlage der Familie Dickel als ältestem Grab einer Sinti-Familie in Bremen und dem Gräberfeld am Eingang Kornstraße ergibt sich das Alleinstellungsmerkmal des Friedhofs.
Dies unterstreicht auch die Stele der DENKORTE Initiative Neustadt, die 19. November 2022 am Eingang Kornstraße auf das Sinti und Roma-Gräberfeld aufgestellt worden ist.
Literatur: Hesse, Hans, „Friedhof Buntentor. Denkmäler der Zukunft. Gräber NS-verfolgter Sinti und Roma auf dem Buntentorfriedhof“, Bremen 2022.
Veröffentlicht am 14. September 2022 und aktualisiert am 24. März 2023