In Findorff befindet sich in der Gothaer Straße ein Schulzentrum, das heute als „Schule gegen Rassismus – Schule für Courage“ ausgezeichnet ist. Im August 1942 wehte hier jedoch ein anderer Wind: Im Altbau des jetzigen Schulgebäudes wurde damals die „Nordische Musikschule“ gegründet. Hier sollten im Sinne des NS-Regimes und dessen Ideologie Musiker/innen höchst professionell ausgebildet werden. Die Musikschule sollte auf musikalischem Gebiet eine Fortführung der bereits existierenden „Nordischen Kunsthochschule“ bilden. Leider gibt es nur wenige schriftlich dokumentierte Hinweise zur Musikschule. Henning Bleyl, Journalist in Bremen, fand dennoch einiges heraus. Der Text dieser „Spur“ geht auf seine Angaben zurück.
Die Gründung der „Nordischen Kunsthochschule“ ging maßgeblich aus vom langjährigen nationalsozialistischen Bildungssenator Richard von Hoff und vom Worpsweder Maler Fritz Mackensen. Die Hochschule befand sich in der Straße Am Wandrahm und sollte ganz im Sinne der „Nordischen Bewegung“ stehen. Diese Bewegung ist ideologisch ausgesprochen völkisch, rassistisch und antisemitisch und vertritt die Meinung, dass die nordische Germanenrasse anderen überlegen ist.
Gründungsdirektor der Hochschule war Fritz Mackensen, später übernahmen dann der Kunstmaler Carl Horn, übrigens der Schwiegervater vom Hitler Stellvertreter Rudolf Heß, und zuletzt der auch als Kriegsmaler bekannte Rudolf Hengstenberg die Leitung.
Das Gebäude der Kunsthochschule wurde 1922 vom Architekten Rudolf Jacobs gestaltet.
Im April 1943 wurde der Hochschule eine „Opernschule“ angegliedert, aus der die „Nordische Musikschule“ hervorging. Im Herbst 1944 wurde diese Schule schon wieder geschlossen. 1942 gab es an der Schule 150 bis 200 Studenten und 15 Lehrkräfte. Viele von ihnen waren im Hauptberuf Mitglieder des Bremer Staatsorchesters. Einer der wenigen Lehrer mit wirklich überregionalem Ansehen war der Domkantor Richard Liesche, einer der führenden Kirchenmusiker in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Arbeit wurde deutschlandweit wahrgenommen. An der „Nordischen Musikschule“ fungierte Liesche als Leiter der Abteilung Tasteninstrumente. 1942 hatte die Musikschule einen Etat von 74.000 Reichsmark, bekam aber nur 32.490 Mark als Zuschuss. 60 Prozent ihres Etats musste sie also selbst erwirtschaften. Die Finanzdecke war so knapp bemessen, dass man zeitweise über die Schließung der Außenstelle Vegesack nachdachte. Leiter der Meisterklasse Violine an der „Nordischen Musikschule“ war Hermann Grevesmühl, der 1948 Direktor der mit Unterstützung der Bildungsbehörde wiedereröffneten „Bremer Musikschule“ wurde. Aus dieser entwickelte sich das staatliche „Konservatorium“ und 1979 die Musikabteilung der „Hochschule für Gestaltende Künste und Musik“, der heutigen HfK. Die Jugend- und Volksmusikschule blieb als kommunale Einrichtung der außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung erhalten und ist seit 1999 als „Musikschule Bremen“ ein städtischer Eigenbetrieb.
Nach 1945 kann eine weitestgehende personelle Kontinuität zur Nazi-Zeit beobachtet werden, da alle Lehrer als politisch unbelastet eingestuft wurden. Auch im Falle Liesches, dem gelegentlich eine zu große Nähe zum Regime nachgesagt wird, konnte eine Parteimitgliedschaft nicht sicher nachgewiesen werden. Richard Liesche, 1933 zum Landeskirchenmusikwart ernannt, organisierte 1948 die Kirchenmusikabteilung an der neuen Bremer Musikschule, wurde im Jahr darauf vom Senat zum Professor ernannt und Vorsitzender des Landesverbandes Bremer Tonkünstler. Der Bremer Komponist Burchard Bulling ist der einzige, der in der Musikschule der Nachkriegszeit nicht mehr auftaucht. Das mag daran liegen, dass er für das schöne Fach „Nationalpolitischer Unterricht“ an der „Nordischen Musikschule“ zuständig war. Bulling leitete nach dem Krieg die städtische Musikbibliothek und baute das später von der Bremer Universität übernommene „Archiv Deutsche Musikpflege“ auf.
Veröffentlicht am 6. März 2014 und aktualisiert am 9. Mai 2024