Herbert Johanning wurde evangelisch getauft und erzogen, nach der Nazi-Begrifflichkeit war er „Halbjude“. Nachdem sein Vater sich weigerte, sich von seiner jüdischen Frau zu trennen, wurden er und sein Vater am 9. Oktober 1944 von der Gestapo Bremen einbestellt. Alle „Mischlinge ersten Grades“ und „jüdisch versippte” Männer wurden zu diesem Zeitpunkt zum geschlossenen Arbeitseinsatz in Zwangsarbeiterlager eingewiesen.
„Arbeitssachen und etwas zu essen sollten wir mitbringen“, erinnert sich Herbert Johanning. Und dann fuhren sie zusammen mit ungefähr 30 — 40 anderen per Bahn bis Vegesack und mit der „Bimmelbahn“ nach Farge. Zu Fuß ging es abends weiter in die Rekumer Feldmark zum „Arbeitserziehungslager Bremen-Farge“ (AEL).
Zunächst wurde der 18jährige Herbert Johanning für 2 Wochen im Arbeitserziehungslager Bremen-Farge eingesperrt, bevor er ins Arbeitslager Lenne (bei Göttingen) verlegt wurde. Dort musste er Schützengräben ausheben.
Seine Befreiung erlebte Johanning in Bremen, nachdem Anfang April 1945 das Zwangsarbeitslager Lenne aufgelöst worden war.
Seine Eltern und sein 4 Jahre jüngerer Bruder überlebten alle den Krieg und die Verfolgung. Seine (aus einer jüdischen Familie stammende) Mutter war Anfang 1945 nach Theresienstadt, sein Vater zunächst ins AEL Farge, später zur Zwangsarbeit nach Nordhausen deportiert worden.
1951 emigrierte Herbert Johanning in die USA. Dort heiratete er, wurde Gärtner und Vater von 3 Kindern. Herbert Johanning lebte lange in Long Island (USA), wo er 2014 gestorben ist.
Quelle: Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte; Zeitschrift für Regionalgeschichte Bremens im 19. und 20. Jahrhundert; Nr. 23/24; Titel: Zeitzeuge Herbert Johanning nach 65 Jahren erstmals am Ort seiner Inhaftierung von Heiko Kania
Veröffentlicht am 22. Februar 2011 und aktualisiert am 29. November 2022