Ende 1929, Anfang 1930 herrscht in Deutschland eine tiefe wirtschaftliche Krise. Viele Leute sind arbeitslos. Kampfgruppen der verschiedenen politischen Parteien und Verbände führen Straßenschlachten durch. Johann Gossel (geb. 1899) aus dem Buntentor schließt sich in dieser Zeit dem hiesigen SA-Sturm 3/75 an.
Vorher hat er vermutlich während eines Aufenthaltes in Murnau/Bayern, damals ein richtig „braunes Nest“, Bekanntschaft mit der NSDAP oder ihren Gliederungen gemacht. Die örtlichen Aktivisten hatten sich bereits im frühen Stadium der nationalsozialistischen Bewegung 1923 dem „Hitler-Putsch“ angeschlossen und erhielten dafür den sogenannten „Blutorden“ der NSDAP.
Am Sonntag, d. 14. Juni 1931 überfällt sein SA-Sturm 3/75 ein Sportfest der KPD (Kommunistische Partei Deutschland) im Lokal „Konzertgarten Huckelriede“. Während der tätlichen Auseinandersetzung mit ihren politischen Gegnern wird der 32-jährige SA-Mann Johann Gossel aus dem Buntentor durch mehrere Messerstiche verletzt. Nur eine Woche später erliegt er am 21. Juni 1931 im Roten Kreuz Krankenhaus seinen Verletzungen. Gossel hinterlässt zuhause seine trauernden Geschwister Carl und Mathilde. Seine Eltern sind zu diesem Zeitpunkt bereit gestorben.
Zehn Tage nach der tödlichen Auseinandersetzung am 24. Juni schaltet der SA-Sturm eine Todesanzeige in der „Bremer Nationalsozialistische Zeitung“, die ihr Sturmführer Kaese mit „Sturm 3/75 (Gossel)“ unterschreibt. Offensichtlich hat man sich bereits zu diesem Zeitpunkt entschieden, den Sturm „3/75“ in „Gossel-Sturm“ umzubenennen. Die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) bezeichnet den Verlust ihres Kameraden in einer Traueranzeige als „Rotmord“. Doch dabei bleibt es nicht! Für die Nationalsozialisten sind solche Männer, wie Gossel oder der wenig später ebenfalls im Kampf in Walle umgekommene Wilhelm Decker, die ihr Leben für ihre Überzeugung gelassen haben, Helden und damit „Blutzeugen der Bewegung“.
Nachdem die NSDAP 1933 auch in Bremen die Macht übernommen hat, wird der kleine Park in Huckelriede, also jener Ort, an dem Gossel tödlich verletzt wurde, in „Johann-Gossel-Park“ umbenannt. Im Eingangsbereich wird ein großer Findling mit dieser Inschrift aufgestellt. Nachdem dieser nach 1945 entfernt wurde, soll er sich heute noch immer in der Botanika im Rhododendronpark befinden, allerdings ist die Inschrift für die Betrachter nicht mehr erkennbar.
Bereits vor der Umbenennung des Parks hatte die Bremer Innenbehörde die durch die Politische Polizei beschlagnahmte Parteizentrale der KPD, das sogenannte „Rote Haus“ am Buntentorsteinweg an die SA übergeben. Diese benannte es umgehend um in „Johann-Gossel-Haus“. Hier konnte man Rache für den Tod von Gossel nehmen, denn die Bremer Polizei überbrachte regelmäßig vor allem verhaftete Kommunisten zur „Sonderbehandlung“ ins SA-Haus.
Angeblich soll Gossel noch vor seinem Tod im Krankenhaus den Wunsch an seine Verwandten geäußert haben: „Ihr müßt es mir nicht übel nehmen, beerdigt mich im Braunhemd, wenn Ihr auch glaubt, daß es nicht richtig ist. Ich glaube fest daran.“ Dennoch bekommt er, geleitet von einem evangelischen Pastor, eine christliche Beerdigung. Diese Beerdigung findet am Freitag, d. 26. Juni 1931 auf dem Friedhof Buntentor unter großer Teilnahme der braunen Bewegung aus Bremen und dem Umland statt. Zuvor war er aufgebahrt in der Trauerkapelle des Friedhofs, wo der evangelische Pfarrer die Trauerrede hält. Anschließend bringt der SA-Sturm den Sarg zur Grabstelle auf dem Friedhof.
Dort halten prominente Führer der Bewegung eine Rede: zuerst der SA-Ortsgruppenführer Thiele, dann im Namen Adolf Hitlers der NSDAP-Gauleiter und spätere Statthalter in Bremen und Oldenburg, Carl Röver, sowie anschließend der Gruppenunterführer Herzog. In seinem Schlusswort sagt letzterer: „…Aber die Ernte wird kommen und dann wird alles das aufgegangen sein, wofür du, Johann Gossel, gekämpft hast und gestorben bist.“
Weniger als zwei Jahre nach der Beerdigung war es soweit! Die Nazis und ihre Helfershelfer übernahmen die Macht in Deutschland, um es 12 Jahre später in einer Trümmerlandschaft und mit Millionen von Toten zu hinterlassen.
Noch viele Jahre werden die Nichten, Töchter von Carl Gossel, an ihren Arbeitsplätzen in Bremen angesprochen werden, ob sie mit Johann Gossel verwandt sind. Durch Heirat verlieren sie diesen Nachnamen und bedauern dies wahrlich nicht. Das Grab von Gossel auf dem Buntentor Friedhof wurde eingeebnet.
Veröffentlicht am 11. Juli 2023 und aktualisiert am 31. Oktober 2023