Ka­rin Ma­gnus­sen: Ras­sen­for­sche­rin und Bio­lo­gie­leh­re­rin

Karin Magnussen_1958_Archiv Hans Hesse
Magnussen bei einem Schulausflug 1950er Jahre. Quelle: Archiv Hans Hesse
Magnussen bei einem Schulausflug 1950er Jahre. Quelle: Archiv Hans Hesse
Magnussen bei einem Schulausflug 1950er Jahre. Quelle: Archiv Hans Hesse
Magnussen bei einem Schulausflug 1950er Jahre. Quelle: Archiv Hans Hesse
Grabstelle Fam. Magnussen. Riensberger Friedhof, Quelle: Hans Hesse
Grabstelle Fam. Magnussen. Riensberger Friedhof, Quelle: Hans Hesse
13. No­vem­ber 1943
Ha­genau­er Str. 7, Bre­men-Schwach­hau­sen

Ka­rin Ma­gnus­sen wur­de am 9. Fe­bru­ar 1908 in Bre­men ge­bo­ren. Die Fa­mi­lie wohn­te in Schwach­hau­sen in der Ha­genau­er Str. 7. Ihre El­tern wa­ren das Künst­ler­ehe­paar Wal­ter und Anna Ma­gnus­sen-Pe­ter­sen. Ka­rin Ma­gnus­sen be­such­te das Kip­pen­berg-Gym­na­si­um. Ab 1928 stu­dier­te sie in Göt­tin­gen Bio­lo­gie, Che­mie, Geo­lo­gie und Phy­sik. 1932 schloss sie ihr Stu­di­um mit ei­nem Dok­tor­ti­tel in den Fä­chern Zoo­lo­gie, Bo­ta­nik und Geo­lo­gie ab. In Göt­tin­gen trat sie be­reits 1931 der NS­DAP bei und wur­de 1935 Mit­ar­bei­te­rin des „Ras­sen­po­li­ti­schen Am­tes“ der NS­DAP im Gau Han­no­ver. 1936 ver­öf­fent­lich­te die da­mals 28jäh­ri­ge das NS-Ras­sen­schu­lungs­buch „Ras­sen- und be­völ­ke­rungs­po­li­ti­sches Rüst­zeug“. Es war für Bio­lo­gie­leh­rer und Bio­lo­gie­leh­rin­nen und so­wie für die „ras­sen­bio­lo­gi­sche Schu­lung“ im All­ge­mei­nen ge­dacht. 1943 er­schien es be­reits in der 3. Auf­la­ge.

Im Herbst 1941 wur­de sie wis­sen­schaft­li­che As­sis­ten­tin am Kai­ser-Wil­helm-In­sti­tut für An­thro­po­lo­gie, mensch­li­che Er­b­leh­re und Eu­ge­nik in Ber­lin-Dah­lem. Seit 1938 forsch­te Ma­gnus­sen je­doch be­reits über Au­gen­pig­men­tie­rung und in­ter­es­sier­te sich be­son­ders für He­te­ro­chro­mie (Ver­schie­den­far­big­keit der Iris. Men­schen mit He­te­ro­chro­mie ha­ben un­ter­schied­li­che Au­gen­far­ben). Die­se Ar­bei­ten konn­te sie in Ber­lin-Dah­lem am In­sti­tut fort­set­zen, ge­för­dert mit Geld­mit­teln durch den „Reichs­for­schungs­rat“ (RFR) und zu­nächst an Ka­nin­chen. Ma­gnus­sen hat­te je­doch früh­zei­tig Kennt­nis von ei­ner Sin­ti-Fa­mi­lie aus Ol­den­burg, bei der He­te­ro­chro­mie ge­häuft auf­trat. Es war die Fa­mi­lie Otto und Au­gus­te Me­chau. Die­se Fa­mi­lie wur­de im März 1943 über den Bre­mer Schlacht­hof in das „Zi­geu­ner­fa­mi­li­en­la­ger“ in Ausch­witz-Bir­ken­au de­por­tiert. Ma­gnus­sen ließ über den dor­ti­gen La­ger­arzt Jo­sef Men­ge­le Ver­su­che an den Mit­glie­dern die­ser Fa­mi­lie aus­füh­ren. Men­ge­le schick­te aus dem KZ Or­gan­prä­pa­ra­te, u.a. Au­gen, an das Dah­le­mer In­sti­tut, wo sie von Ma­gnus­sen aus­ge­wer­tet wur­den. Als ge­gen Ende des Krie­ges das In­sti­tut aus Ber­lin nach West­deutsch­land um­zog, ret­te­te Ma­gnus­sen ihre Prä­pa­ra­te in Kis­ten nach Bre­men in das Haus ih­rer El­tern.

Von der über 20-köp­fi­gen Ol­den­bur­ger Sinti-Familie Mechau über­leb­ten nur zwei Mit­glie­der. Otto Me­chau wur­de am 13. No­vem­ber 1943 in Ausch­witz-Bir­ken­au er­mor­det. Er war der ers­te Tote der Fa­mi­lie. Vie­le To­des­da­ten der an­de­ren Fa­mi­li­en­mit­glie­der sind je­doch bis heu­te nicht be­kannt.

Ma­gnus­sen konn­te ihre wis­sen­schaft­li­che Kar­rie­re aus der NS-Zeit nach 1945 nicht fort­set­zen. Statt­des­sen wur­de sie in Bre­men Bio­lo­gie­leh­re­rin. Zu­nächst an der Schu­le an der Karl­stra­ße, dann am Gym­na­si­um an der Kurt-Schu­ma­cher-Al­lee in Bre­men-Vahr. Ihre Schü­le­rin­nen und Schü­ler er­in­nern sich u.a. an die Au­gen­un­ter­su­chun­gen, die sie an Ka­nin­chen ma­chen muss­ten und für de­ren Fut­ter sie re­gel­mä­ßig sorg­ten.

Ka­rin Ma­gnus­sen starb am 18. No­vem­ber 1997 und wur­de im Grab ih­rer El­tern auf dem Ri­ens­ber­ger Fried­hof bei­ge­setzt. Dort ruht auch ihre Freun­din Do­ro­thea Mi­cha­el­sen.

In Ol­den­burg er­in­nert seit dem 20. Mai 1992 in Ol­den­burg eine Stra­ße an die Fa­mi­lie Me­chau. In Bre­men gibt es da­ge­gen bis heu­te kein Mahn­mal oder Er­in­ne­rungs­zei­chen, dass an die Ver­bre­chen Ka­rin Ma­gnus­sens er­in­nert.

Autor: Dr. Hans Hes­se

Literatur:
Hes­se, Hans, „Au­gen aus Ausch­witz. Der Fall Dr. Ka­rin Ma­gnus­sen“, in: Ar­bei­ter­be­we­gung und So­zi­al­ge­schich­te. Zeit­schrift für die Re­gio­nal­ge­schich­te Bre­mens im 19. und 20. Jahr­hun­dert, Heft 6, De­zem­ber 2000, S. 55–64.
Hes­se, Hans, „Au­gen aus Ausch­witz. Ein Lehr­stück über na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ras­sen­wahn und me­di­zi­ni­sche For­schung – Der Fall Dr. Ka­rin Ma­gnus­sen“, Es­sen 2001.
Hes­se, Hans, „Dop­pelt de­por­tiert – Fa­mi­lie Fri­do­lin Lau­bin­ger“, in: Hes­se, Hans, „… wir se­hen uns in Bre­mer­ha­ven wie­der … Die De­por­ta­ti­on der Sin­ti und Roma am 16./​20. Mai 1940 aus Nord­west­deutsch­land“, Bre­mer­ha­ven 2021, S. 110–113.
Hes­se, Hans, „Men­schen­ver­su­che in Ausch­witz – Die Er­mor­dung der Fa­mi­lie Otto und Au­gus­te Me­chau“, in: „Ich bit­te, die ver­ant­wort­li­chen Per­so­nen für ihre un­mensch­li­chen bar­ba­ri­schen Ta­ten zur Re­chen­schaft zu zie­hen–Die De­por­ta­ti­on der Sin­ti und Roma am 8. März 1943 aus Nord­west­deutsch­land“, Bre­men 2022, S. 160–165.
Hes­se, Hans, „Les Yeux d’Au­schwitz, Trois fa­mil­les sin­ti vic­ti­mes des re­cher­ches mé­di­ca­les dé­voyées des la Sci­en­ti­fi­que na­zie Ka­rin Ma­gnus­sen“, Pa­ris 2023.

Online:
Hes­se, Hans, Die fast ver­ges­se­ne De­por­ta­ti­on (https://wkgeschichte.weser-kurier.de/die-fast-vergessene-deportation/).
Hes­se, Hans, Erst Ka­nin­chen, dann Men­schen (https://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/PB2020/WK20200418S13print.pdf).
Hes­se, Hans, „Ich konn­te nicht auf die Aus­wer­tung ei­nes so wert­vol­len Ma­te­ri­als ver­zich­ten“ (https://www.welt.de/print-welt/article471248/Ich-konnte-nicht-auf-die-Auswertung-eines-so-wertvollen-Materials-verzichten.html).

Quellen:
Staats­ar­chiv Bre­men 4.66 – I. Ma­gnus­sen, Ka­rin (Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ak­te).
Ge­denk­stät­te Ha­d­amar, Samm­lung, N Klee, 140.

Veröffentlicht am und aktualisiert am 20. Oktober 2023

Ein Hinweis zu “Karin Magnussen: Rassenforscherin und Biologielehrerin”

  1. Margarete Landes sagt:

    Eine Un­ge­nau­ig­keit: Sie hat nicht die Schu­le ge­wech­selt, die gan­ze Schu­le, das Gym­na­si­um an der Karl­stra­ße, zog um und wur­de das Gym­na­si­um a.d. Kurt-Schu­ma­cher-Al­lee.

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