Nach dem Reichtagsbrand vom 27./28. Februar 1933 und den Reichstagswahlen vom 05. März 1933 erfolgten auch in Bremen Massenverhaftungen von Kommunisten und Sozialdemokraten. Nur ein Jahr später berichtet der Bremer Bürgermeister Dr. Richard Markert März 1934 nach Berlin, dass in Bremen insgesamt 1.305 Personen in „Schutzhaft“ genommen worden sind.
Das Polizeigefängnis am Ostertor und die SA-Verhörstätten, wie das so genannte Gosselhaus im Buntentor, waren bald überfüllt. Aus dem Grund wurde bereits am 29. März 1933 von der Polizeidirektion in den sog. Mißler-Hallen, die ehemalige Unterkunft für Auswander*innen, an der Walsroder Straße in Findorff, ein Konzentrationslager errichtet. Es war das erste, zuerst noch provisorische, Konzentrationslager innerhalb Bremens.
Die ersten, etwa 159, Häftlinge, die hier in „Schutzhaft“ genommen wurden, waren vorwiegend Sozialdemokraten und Kommunisten. Auf dem Bild sieht man die Häftlinge auf dem Appellplatz im Lager. Das Bild wurde aus einer Dachluke eines benachbarten Hauses, angeblich von der Ehefrau des Häftlings Buckendahl, fotografiert. Die Insassen, darunter z. B. Alfred Faust, Hermann Böse, Richard Heller oder Heinrich Buchholz wurden durch die Lageraufsicht, eine hauptsächlich von der SS gestellte Hilfspolizei unter der Leitung von SS-Sturmbannführer Otto Löblich, der Mörder von Johann Lücke, schwer misshandelt. Die verhafteten Arbeiterfunktionäre sollten im Lager mit sadistischen Folterungen im nationalsozialistischen Sinne „umerzogen“ werden. Sie erhielten Prügeln mit Gummiknüppeln und Schlägen mit Karabinerkolben. 60-jährige Männer mussten nachts in Hemd und Hose Freiübungen auf dem Appelplatz machen, mit Bürgersteigplatten in den Händen. Dabei mussten sie robben und die tierischen Laute der Stadtmusikanten nachahmen. Dutzende Male wurden Gefangene nachts von ihren Pritschen hochgerissen, blutig geschlagen und vernommen. Sie wurden auf Schemel gestellt und mussten singen. Wurden sie bewusstlos, wurden sie mit Wasser übergossen und erneut verhört. Der ehem. Häftling Johann Onasch erzählte später vor Gericht, am 20. April 1933 seien die Gefangenen durch eine Prügelgasse betrunkener SS-Männer gejagt worden.
Selbst dem bremischen Polizeisenator Laue war diese Art von „Umerziehung“ zu heftig, waren die Inhaftierten doch schon bei ihrer Verhaftung auf die gleiche Weise „verhört“ worden. Nach einem Hungerstreik der Häftlinge, aber auch nach Protesten innerhalb der Polizei und des Senats, übernahmen ab 9. Mai 1933 statt der SS nunmehr SA-Mitglieder die Bewachung. An die schlimmen Zustände änderte sich jedoch dadurch nicht viel.
Über eine Form von Widerstand, der noch im KZ Mißler stattfand, berichtet ein Jubiläumsheft des „Arbeitergesangsverein Bremen“ aus 1964: „Selbst im KZ-Lager Mißler wurde der Mut der Sänger nicht gebrochen. „Lasst uns wie Brüder treu zusammenstehn“, eines unserer schönsten Lieder, erklang auf dem Lagerhof, gesungen von neuen aktiven Sängern des A.G.V., bis wütende SA das Singen verbot. Mehrere Sangesfreunde wurden damals schwer mißhandelt.“
Am 18.8.1933 besichtigte der NSDAP-Reichstatthalter Bremen/Oldenburg Carl Röver das KZ Missler in Findorff. Am 11. September 1933 löste die NS-Führung das Lager auf, weil es Mitte im Wohngebiet nicht mehr haltbar erschien. Den Anwohnern blieben die Misshandlungen der Inhaftierten nicht verborgen. Es kursierten sogar Bilder von den Inhaftierten in der Öffentlichkeit. Die Häftlinge wurden deshalb in die Laderäume eines Schleppkahns der Norddeutschen Lloyd (Lloyd-Kahn 86, KZ-Lager Ochtumsand, siehe Bild) verlegt, später nach Langlütjen II, einem alten Fort in der Wesermündung. In Alltagskleidung mussten sie sechs Meter unter dem Meeresspiegel schwere Sand- und Baggerarbeiten ausführen. Beide Lager existierten noch bis Sommer 1934, dann wurden die Häftlinge in andere Lager im Reichsgebiet überführt.
Nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurden die Mißler-Hallen in Findorff von der SA noch mal genutzt um die inhaftierten jüdischen Männer und Frauen kurz dort unterzubringen. Am 11. November wurden die Männer zum Gefängnis in Oslebshausen überführt, während die Frauen frei gelassen wurden.
Nach dem Ende des Krieges und damit auch der Nazi-Diktatur wurden Angehörige der Wachmannschaften vor Gericht gestellt. 15 von ihnen wurden wegen Körperverletzung im Amt zu Strafen zwischen sechs Monaten und zweieinhalb Jahren verurteilt. Justiz- und Polizeisenator Laue, der letztendlich für das Lager verantwortlich war, bekam drei Jahre und vier Monaten Haft erteilt. Seine Internierungshaft wurde auf diese Strafe angerechnet und somit kam er schon bald wieder auf freien Fuß.
In der Walsroderstraße erinnert eine große Tafel an das ehemaligen KZ Missler (siehe Bild).
Video freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Zentrum für Medien, Bremen:
In einem Ausschnitt eines Video-Interviews mit dem USC Shoah Foundation Institute schildert der Zeitzeuge Willy Hundertmark seine Eindrücke aus dem KZ Mißler
Mehr dazu unter „Die Entnazifizierung und die Gestapo„
Veröffentlicht am 7. Juni 2013 und aktualisiert am 7. Februar 2024