Lager Osterort bzw. Riespott auf der Norddeutschen Hütte

Das Bild zeigt die Gedenkstätte auf dem Gelände der Stahlwerke in Bremen
Gedenkstaette
Riespott_EinweihungMahnmal 1984
Lager Riespott Plan 1945
6. April 1945
Carl-Benz-Straße (Stahlwerke Bremen) 30, Bremen

Auf dem Gelände der heutigen Stahlwerke Bremen befand sich von 1935 – 1945 ein großes Lager für KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene (Franzosen, Engländer und Kanadier, Russen und Polen) und Zwangsarbeiter. Es handelt sich dabei um das Lager Riespott oder auch Osterort genannt. Ursprünglich wurden es 1932 gebaut um sog. Arbeitsdienstwillige unterzubringen, die u.a. beim Deichbau oder der Schaffung von Kulturland eingesetzt wurden. Auf einem Bild ist der Plan des Lagers Riespott mit einer projektierten Erweiterung (am Bildrand oben, schraffierte Fläche) vom Februar 1945 zu sehen.
Die später dort untergebrachten Häftlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene kamen aus dem Lager Neuenland.  Lagerleiter war, wie im Lager Neuenland, Hugo Benedict. Die Baracken befanden sich auf dem Firmengelände der damaligen Norddeutsche Hütte AG, wo Otto Hoffmann Betriebsdirektor war. Er war verantwortlich für den Arbeitseinsatz der Häftlinge.

Über diese Zeit berichtet der Augenzeuge Gustav Ziemann: „Dieses Lager (ist) nach meinen Erinnerungen 1935 (entstanden). Als erstes wurde eine massive Steinbaracke erbaut und anschließend neun oder zehn Baracken. Diese Baracken wurden mit Häftlingen belegt, die man zum überwiegenden Teil aus dem damaligen Haus Mißler und aus der Strafanstalt Oslebshausen herbeigeholt hatte. Im Lager waren diese Häftlinge nicht länger wie einen Monat und wurden dann aufgrund der Überprüfung in andere Lager weiterverschickt.“ „Bewacht wurde dieses Lager von Leuten in einer schwarzen Uniform, ich nehme an, dass es SS-Leute waren, aber keine Soldaten.
Gustav Ziemanns Vater war Mitglied der KPD, wurde 1935 verhaftet und in das KZ Mißler verschleppt. Von da kam er in den Riespott und nach ungefähr einem Monat in eines der Emslandlager.
Nach Ende des Polenfeldzuges wurde das Lager von sämtlichen Häftlingen geräumt und es kamen Polen, später auch Russen (wahrscheinlich Kriegsgefangene). Sie wurden auf der Hütte und in anderen Großbetrieben eingesetzt. Der Augenzeuge Hans Schröder sagte darüber: „Am Riespott hatten wir ja das große Gefangenenlager, da waren Polen, Russen … die standen natürlich unter Stacheldraht und Scheinwerfer und Bewachung und die wurden dann jeden Morgen und jeden Abend hier hin und her geführt zum Arbeiten.

Von den Häftlingen wurden 50 einem eigenen Arbeitskommando zugeordnet und am Hochofen auf der Hütte eingesetzt. Die restlichen setzte man u.a. beim Bau des U-Bootbunkers „Hornisse“ (Jetzt Kap Horn Straße) ein.

Die Räumung des Lagers erfolgte am 6. April 1945. Die Gefangenen wurden zunächst ins Lager Farge verlegt. Von dort aus wurde ein Teil zum KZ Neuengamme und ein anderer Teil zum Auffanglager Sandbostel bei Bremervörde transportiert. Später werden alle zur Lübecker Bucht gebracht, wo sie in große Dampfschiffe steigen sollen. Diese werden von der allierten Luftwaffe bombardiert. Die meisten Häftlingen finden hierbei den Tod, entweder durch ertrinken im eiskalten Ostsee-Wasser oder durch die Explosion der Bomben.

Nach 1945 diente Riespott unter der US-Amerikanische Militärverwaltung noch eine Weile als Auffanglager für Flüchtlinge (u.a. aus Danzig) sowie für Familien, deren Häuser im Westen der Stadt von Bomben zerstört worden waren.
Ab 1948 wurden im Riespott  inhaftierte Nazis aus Bremen und Umgebung untergebracht, darunter auch der ehem. Bremer Polizei- und Justizsenator Laue, sechs NS-belastete Frauen oder den SS- und SD-er Hermann Lumm. Im Internierungslager warteten sie auf ihre Entnazifizierungsverfahren oder Gerichtsprozessen. Teilweise wurden sie zwangsweise bei Aufräumarbeiten, z. B. am Volkshaus, eingesetzt. Die Häftlinge nützten bis 1949 die gemeinsame Zeit jedoch auch um sich gegenseitig eine Strategie der Entlastung in den bevorstehenden Prozessen abzusprechen.

Ab 1949 brachte man im Lager Riespott Sinti und Roma unter, die aus den Vernichtungslagern oder Arbeitslagern in Osteuropa zurückgekehrt waren. Das primitive „Landfahrerlager“ wurde erst 1955 aufgegeben, als das Gelände vom Hochofenbetrieb beansprucht wurde. Die Bewohner zogen daraufhin u.a. nach Warturm, wo sie auf eine Müllhalde in der Nähe des Gaswerks in Woltmershausen ihre Wohnwagen aufstellten, aber auch in festen Häusern eine Unterkunft fanden.

Vom Lager sind keine Reste übriggeblieben. Dort, wo es einst stand, befinden sich jetzt die Hochöfen und die Sinderanlage. In Erinnerung an diejenige, die im Lager Riespott gelitten oder gar ihr Leben gelassen haben, wurde von der Belegschaft auf dem Gelände eine Mahnmal eingerichtet. Die Einweihung des Mahnmals neben den Hochöfen fand statt am 12.Oktober 1984 in Anwesenheit ehemaliger französischer Häftlinge, u.a. Edmond Gabriel Desprat (links), André Migdal (rechts) (siehe Foto).

Quellen: „Riespott – KZ an der Norddeutschen Hütte, Berichte, Dokumente und Erinnerungen über Zwangsarbeit 1935-1945“ herausgegeben im Jahr 1984 von einer Kollegengruppe der Klöckner Werke AG Bremen. Außerdem „Bei „Bummeln“ drohte Gestapohaft – Zwangsarbeit auf der Norddeutschen Hütte während der NS-Herrschaft“ von Eike Heimmer und Robert Milbradt (Temmen Verlag).
„Konstruktion der Unschuld – Die Entnazifizierung am Beispiel von Bremen und Bremerhaven 1945-1953“, Hans Hesse, Band 67, Staatsarchiv Bremen, 2005.

Weitere Informationen zur Situation von Kriegsgefangenen stehen hier zum Download bereit:

  • Arbeitskräftemangel vor dem Krieg PDF
  • Bremen als Rüstungsstandort PDF
  • Nicht Schutz der Genfer Konvention PDF
  • Arbeitskräftebedarf und Ausländereinsatz im Krieg PDF
  • Vergessene Opfer PDF
  • Entschädigungsdebatte PDF
Veröffentlicht am und aktualisiert am 15. Januar 2023

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