Zur kurzfristigen Betreuung von Kindern zwischen zwei und vierzehn Jahren entstand während des Ersten Weltkrieges 1914/1915 das Isenbergheim in der Kornstraße. Die Namensgeberin des Isenbergheims, Wobetha Margarethe Isenberg (12.5.1846 – 10.3.1933), war gemeinsam mit ihrem Ehemann Paul Isenberg stark christlich und sozial engagiert. Nach dem Tod ihres Mannes 1903, setzte sie die gemeinsam begonnene soziale Arbeit fort. Sie ermöglichte mit großzügigen Spenden die Errichtung von Kirchen sowie kirchlichen, weltlichen und sozialen Einrichtungen. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit bildete die Tätigkeit bei der Inneren Mission, deren Frauengruppe sie angehörte.
Wobetha Isenberg setzte sich besonders für sogenannte „gefallene“ oder „gefährdete“ junge Mädchen ein und engagierte sich im „Verein für eine Zufluchtsstätte für Frauen und Mädchen“, dessen Vorsitzende sie 1908 wurde.
1914 ermöglichte sie den Bau und die Einrichtung eines Heimes für Mädchen an der Kornstraße 209, das nach Plänen der Architekten Abbehusen und Blendermann errichtet wurde. Die Betreuung übernahmen 1929 Schwestern des Kaiser-Wilhelm Kinderheims, die mit im Haus lebten. Nach 1933 nutzten die Jugendbehörden das Heim auch für längerfristige Unterbringungen unter Beteiligung von fünfzehn Jungscharführerinnen des „Bundes Deutscher Mädel“ und der Mitarbeit eines Psychiaters.
Im Zweiten Weltkrieg diente es vorrangig zur Versorgung von Kindern, deren Väter eingezogen und deren Mütter in den Rüstungsbetrieben arbeiteten. 1941 wurden die Kinder wegen der Bombenangriffe auf die Stadt im Rahmen der Kinderlandverschickung evakuiert.
Das Heim wurde vom bisherigen Träger, der Verein „Zufluchtsstätte“, zunächst dem Verein für Innere Mission zur Verwaltung übergeben, 1942 dann von diesem gepachtet zur Aufnahme weiblicher Jugendlicher aus dem Marthasheim.
Das Marthasheim befand sich in der Osterstraße, also ebenfalls in der Neustadt. Seit 1926 war dort der Evangelische Fürsorgedienst für Frauen und Mädchen angesiedelt. Dieser übernahm 1936 die Jugendgerichtshilfe für evangelische weibliche Jugendliche und „die sich aus dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sich ergebenden Aufgaben“.
1936 war das Marthasheim die einzige Inobhutnahmestelle in Bremen und wurde vorrangig als teilweise geschlossene Fürsorgeanstalt genutzt. Nach Übernahme des Isenbergheims durch den Verein für Innere Mission im Mai 1941 wurden die Mädchen ab 1942 in dieses Heim verlegt. 1944 wurde das Marthasheim bei einem Bombenangriff vollständig zerstört, woraufhin die restlichen Mädchen im Isenbergheim untergebracht wurden.
Für die als „gefährdet“ eingestuften und im Sinne der menschenverachtenden Ideologie des Nazi-Regimes als „nicht mehr besserungsfähig“ definierten Jugendlichen bedeutete der Heimaufenthalt Isolation und strenge Disziplinierung. Bei unangepasstem Verhalten drohte die Überweisung in geschlossene Einrichtungen bis hin zum Konzentrationslager. Im Sinne des Systems wurden „sozial nicht tragbare“ Mädchen in auswärtige Heime insbesondere in die beiden Fürsorgeheimen Kaiserswerth (21) und Aprath/Oberdüssel (22) verlegt. Nachweislich sind Fälle bekannt, in denen einzelne Mädchen später in das Jugendkonzentrationslager Uckermark verlegt und von dort in die Vernichtungslager weitertransportiert wurden.
Zu dieser Mädchengruppe gehörte Ella Nürnberg, die 1944 als 16-Jährige in das Isenbergheim eingewiesen wurde. Nach einigen Fluchtversuchen überwies das Landesjugendamt Bremen sie innerhalb kurzer Zeit in verschiedene geschlossene Einrichtungen und schließlich im Januar 1945 in das Jugendkonzentrationslager Uckermark. Hier waren ausschließlich Mädchen und junge Frauen untergebracht. Zum Ende des Krieges wurde Ella Nürnberg in die Konzentrationslager Ravensbrück, Mauthausen und zuletzt Bergen-Belsen deportiert. Die Befreiung von Bergen-Belsen überlebte die junge Frau nicht. Ihr Todestag ist unbekannt. Ella Nürnberg war jung und wollte sich nicht anpassen. Das brachte ihr den Tod.
Nach 1945 war das Isenbergheim Beobachtungsheim und Fürsorgeerziehungsheim für Mädchen, später auch mit einer geschlossenen und einer halboffenen Abteilung für „Fürsorgezöglinge“ und seit den 1960er einem Lehrlingsheim für Mädchen. Es wurde 1978 im Zuge der damaligen „Heimkampagnen“ und Konflikten mit der Aufsichtsbehörde geschlossen. Seit einigen Jahren bietet das 2015 modernisierte Haus älteren, alkoholabhängigen Männern und Frauen, die wohnungslos waren und ihr Leben nicht mehr allein meistern können, ein Zuhause an. Seit 2020 heißt die Einrichtung offiziell „Haus Isenberg“.
Quellen: „Grundlagenstudie zur Aufarbeitung der Bremer Jugendhilfe und Jugendfürsorge in der NS-Zeit“ von Gerda Engelbracht und Dr. Andrea Hauser, März 2015, sowie zahlreiche Veröffentlichungen von Prof. Jürgen Blandow aus Bremen. Fotos vom „Sonnenhaus“ des Isenbergheims wurden freundlicherweise vom Staatsarchiv Bremen bereitgestellt. Sie sind auf den 22.6.1940 datiert und zeigen das „Sonnenhaus“ nach einem Luftangriff. Der Fotograf ist Walter Cüppers.
Veröffentlicht am 25. Mai 2016 und aktualisiert am 29. November 2022
war dort 1971 für ca. ein halbes jahr und hatte eine lehre als floristin begonnen. würde gerne erfahren ob ihre mutter sich eventuell an mich erinnert – bzw. wir uns austauschen könnten.
Tut mir leid, Ihnen schreiben zu müßen das meine Ma scheinbar zu traumatisiert ist kontakte wieder beleben zu lassen was das IBH betrifft. Hatte schonmal ein versuch gestartet, über eine Facebook Gruppe Sie miteinander bekannt zu machen. Was scheinbar ins lehre lief ! Muss auch gestehen, das ich Sie (meine Ma) nicht wirklich gut kenne. Erst nach über 40 jahren durfte ich Sie näher kennen lernen, und wußte nicht wirklich was da abging. Selbst das kennenlernen mit MIR über Facebook gestalltete sich etwas schwierig – da Sie sich nix zu traute und vom anderen Sohn (der in Ihrem Haushalt lebte) gedrengt wurde selbst zu aggieren. Vielleicht haben Sie ja von einer Liebelei eines Straßenbauarbeiters (an der Kornstraße ggü vom Heim ) mit einer Heim Bewohnerin gehört ? Angelika hieß Sie.
Hallo ihr lieben, ihr habt eine ganze Menge über W. Isenberg geschrieben – da erkenne ich viel aus meinem Porträt. Ich würde mich freuen, wenn ihr mal einen link zu ihrem Porträt auf http://www.bremerfrauengeschicht eure Seite setzen würdet.
Im übrigen habe ich dort auch eine Seite zum Thema Frauen und Faschismus in Bremen! mal ansehen!
Weitere Mädchen aus Bremer „Fürsogeanstalten“ wurden 1933-45 verlegt nach „Farmsen“ (Hamburg), sowie „Wunstorf“, „Birkenhof“, „Klein Bethlehem“, „Hünenburg“, ins „Pestalozzistift Großburgwedel“ in Norddeutschland bei Hannover und in die „Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg“, letztere eine nachgewiesene Tötungsanstalt mit heute vorliegender, vorbildlicher Aufarbeitung. (Quelle: Auflistung der inner- und außerbremisch untergebrachten Fälle aus 1944 ; Kopie Archiv von Prof. Jürgen Blandow)
Es gab übrigens in der Nazi-Zeit auch eine katholisches KInder/Mädchenfürsorgeheim in Bremen, damals St. Johannis Waisenhaus, heute St. Johannis Kinderheim in der St. Magnusstr. in Walle. Eine seriöse Aufarbeitung liegt m.W. nicht vor. – 1933-1945 wurden Bremer Mädchen auch verlegt in einige auswärtige katholische Mädchenheime, meist betrieben von der Ordensgemeinschaft der „Schwestern vom Guten Hirten“, z.B. „Junkersdorf“ (bei Köln) oder „Kloster zum guten Hirten“ (Münster ) oder das „Haus Widey“ (Paderborn) Über eine Aufarbeitung dieser Zeit in den genannten Anstalten konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. (Quelle: s.o.)
habe das Heim während meiner Tätigkeit im Jugendamt Bremen noch als geschlossenes Mädchenheim kennengelernt, und auch die Bremer Heimkampagne 1978 und die endgültige Schließung miterlebt.
Bin mir nicht sicher, ob es überhaupt hier her gehört ?! – Von meiner Ma (auch ein ehemaliges Heimkind -1971 vom IBH) erfuhr ich, das Sie damals bei der Wäscherei Feiertag arbeiten musste ! Also eine billige Arbeitskraft dort war !