Ohne lange zu zögern machten sich die Nazis nach der Machtübergabe am 30. Januar 1933 an die Zerschlagung des politischen Widerstandes der Arbeiterbewegung und deren kulturellen Symbole. So waren neben den ebenfalls von Bernhard Hoetger geschaffenen Plastiken am ehemaligen Gewerkschaftshaus (heute Volkshaus/d. A.) auch das Ehrenmal für die gefallenen Verteidiger der Bremer Räterepublik auf dem Waller Friedhof im Fokus ihrer ideologisch getriebenen Zerstörungswut.
Bereits im März 1933 befasste sich der NS-geprägte Bremer Senat mit diesem Thema: „… Im Anschluss daran wurde darauf hingewiesen, dass auch das Denkmal auf dem Waller Friedhof für die am 4. Februar (1919) Gefallenen für die national empfindende Bevölkerung als verletzend und aufreizend empfunden werde und daher beseitigt werden müsse.“1) Laut Senatsprotokoll vom 26. April2) ist dokumentiert, dass für den Abriss des Denkmals ca. 1.000 Reichsmark kalkuliert werden. Der Verkauf der Steine und des Friedhofsgeländes wird mit Einnahmen von 1.600 Reichsmark beziffert. Anfang Oktober 1933 wird der Abbruch des Monuments vollzogen. Die Leichname wurden aus dem Gemeinschaftsgrab entfernt und im weiten Areal des Friedhofs in Einzelgräber verbracht. Damit sollte auch die Erinnerung an die am 10. Januar 1919 durch den Arbeiter- und Soldatenrat proklamierte Sozialistische Republik Bremen für immer ausgelöscht werden.
Zur Vorgeschichte: Am 18. Juni 1922, drei Jahre nach der blutigen Zerschlagung der Bremer Räterepublik wurde das eindrucksvolle Ehrenmal unter Mitwirkung des Sozialistischen Arbeiter-Sängerbundes (Leitung: Hermann Böse) und Mitglieder des Städtischen Orchesters, eingeweiht. Diesem bedeutenden Tag waren harte Auseinandersetzungen mit dem Senat vorausgegangen. In einem vertraulichen Protokoll vom 10. Februar 19223) heißt es: „Herr Referent erläuterte die Sachlage anhand von ihm vorgelegten Zeichnungen und teilte mit, daß die Finanzkommission Bedenken gegen die Gewährung des Gesuchs (Bau des Denkmals/d. A.) hege. Nach Lage der Verhältnisse (politischer Druck aus der Bevölkerung/d. A.) empfehle sich aber, die Aufstellung des Denkmals auf dem Waller Friedhofe zuzulassen …“
Tausende Leute nahmen an der Veranstaltung teil, sogar Delegationen aus Kirchweyhe, Delmenhorst und Bremerhaven.
Das Denkmal zeigte nach der Fertigstellung eine sichtbar entkräftete Mutter, die den ausgemergelten Körper ihres Sohnes in den Armen hält. Finanziert wurde dieser Erinnerungsort durch Mittel von Gewerkschaften und Arbeiterparteien sowie Spenden aus Betrieben. Die Gestaltung folgte dem Entwurf des bekannten Worpsweder Bildhauers Bernhard Hoetger, der später auch die künstlerische Gestaltung der Figuren am Gewerkschaftshaus und der Böttcherstraße verantwortete. Die Rede zur Feierstunde hielt der Bremer Lehrer Hans Lüdeking. Er brachte zum Ausdruck: „Nicht für selbstsüchtige Zwecke, nicht um eigenen Gewinns willen, nicht äußerem Zwang gehorchend, hätten sie ihr Leben eingesetzt, sondern aus ihrer Überzeugung heraus für höchste Menschheitsideale gekämpft und so wahres Heldentum bewiesen. Vor Kriegsdenkmälern werde man mit Bedauern im Herzen stehen, vor diesem Denkmal werde aber jeder wahre Menschenfreund in Ergriffenheit verweilen.“4)
Am 6. Februar 1972 wurde das heutige Mahnmal (Standort Gräberfeld KK) auf dem Waller Friedhof der Öffentlichkeit übergeben. Es ist der Initiative des „Ausschusses der 4. Februar-Kämpfer 1919, der Angehörigen und Hinterbliebenen“ mit ihrem Vorsitzenden Heinrich Reichel zu verdanken, dass dieser Denkort hergerichtet wurde. Logistisch sorgte die Friedhofsbehörde für die Zusammenführung der Februar-Gefallenen im heutigen Gräberfeld mit dem neuen Mahnmal. Finanzielle Förderung des Projektes kam vom DGB Kreis Bremen und dem sozialdemokratisch geführten Bremer Senat. Der künstlerische Entwurf stammt vom Bremer Bildhauer Georg Arfmann. Vor dem eindrucksvoll gestalteten Kunstwerk aus rötlichem Mechelnauer Tuff befindet sich eine Steinplatte aus demselben Material mit den Namen der 30 gefallenen Verteidiger der Räterepublik. Sie wurde ebenfalls von Arfmann, in Zusammenarbeit mit dem Waller Steinmetz Lippert, hergestellt.Seit der Einweihung treffen sich dort jährlich im Februar Menschen, um an die Ereignisse, Errungenschaften und Folgen der Novemberrevolution 1918 und der Bremer Räterepublik 1919 zu erinnern. Zugleich sind diese Versammlungen auch immer Manifestationen gegen Faschismus, Neofaschismus und Krieg!
Quellen:
1) Auszug aus dem Senatsprotokoll vom 29. März 1933
2) Senatsprotokoll vom 26. April 1933
3) Senatsprotokoll vom 10. Februar 1922 (Vertraulich)
4) Bremer Nachrichten, 19. Juni 1922, Artikel: Einweihung des Revolutionsdenkmals auf dem Waller Friedhof.
Broschüre: Antifaschistischer Widerstand 1933 – 1945 in Bremen
Herbert Schwarzwälder: Die Machtergreifung der NSDAP 1933, Bremen, 1966, Seiten 110–112
Veröffentlicht am 8. Januar 2019 und aktualisiert am 23. Juli 2022