Os­kar Drees: Ar­bei­ter­sport­ler wird ein­ge­sperrt im KZ Miß­ler

Oskar Drees
Oskar Drees
KZ Missler (Staatsarchiv Bremen)
Missler stab_10.b_kartei_682_aufn_002
KZ Missler (Staatsarchiv Bremen)
Missler 10B-Kartei_682_aufn_001
3. Juni 1933
Werd­er­hö­he 45, Bre­men

Hinweis! Dieser Text enthält explizite Schilderungen von Gewalt.

Os­kar Drees, ge­bo­ren am 2. Mai 1889 in Bur­ha­ve, war füh­ren­der Funk­tio­när des Ar­bei­ter­sports nicht nur in Bre­men, son­dern in ganz Deutsch­land. In den Ar­bei­ter-Turn- und Sport­ver­ein Bun­ten­tor trat er 1919 ein. Er galt als Strei­ter und Chef­ideo­lo­ge des Ar­bei­ter­sports. In der „Freie Sport­wo­che“, der Bre­mer Zei­tung des Ar­bei­ter­sports, pu­bli­zier­te und agi­tier­te er re­gel­mä­ßig. „Reißt sie heraus aus diesen Kreisen! Schickt eure Kinder und Jugendlichen in die Arbeiter-Turn-und Sportvereine! Hier sind sie bewahrt vor dem bürgerlichen Gift. – Hier leben sie sich hinein in proletarische Weltanschauung!“ Ge­meint wa­ren die bür­ger­li­chen Ver­ei­ne.
Drees hat­te bis 1933 in ver­schie­de­nen Funk­tio­nen des Ar­bei­ter­sports eh­ren­amt­lich maß­geb­lich mit­ge­wirkt. Jede Wo­che reis­te er in die Bun­des­schu­le nach Leip­zig, um Vor­trä­ge zu hal­ten oder Schu­lun­gen zu lei­ten.
Be­ruf­lich war Os­kar Drees seit 1911 Leh­rer, 1914 bis 1918 un­ter­bro­chen vom Mi­li­tär­dienst im Ers­ten Welt­krieg. Nach dem Krieg war er wie­der als Leh­rer in Ha­ben­hau­sen und Ars­ten tä­tig, wur­de dann aber als So­zi­al­de­mo­krat 1933 von den Fa­schis­ten ent­las­sen.
Po­li­tisch war Os­kar Drees in der SPD or­ga­ni­siert und in Bre­men für die­se Par­tei Bür­ger­schafts­ab­ge­ord­ne­ter von 1928 bis 1933. Dazu war er „Ge­ne­ral“ im „Reichs­ban­ner“, die sich 1931 mit der „Ei­ser­nen Front“ zu­sam­men schloss im Kampf ge­gen fa­schis­ti­sche Ge­walt.

Os­kar Drees er­ging es wie vie­len Kom­mu­nist:in­nen und So­zi­al­de­mo­krat:in­nen. Er wur­de 1933 in „Schutz­haft“ im KZ Mißler ge­nom­men. Zu­nächst wur­den vor al­lem Mit­glie­der lin­ker Or­ga­ni­sa­tio­nen (vor al­lem von KPD und SPD) Op­fer der „Schutz­haft“, dann auch an­de­re Per­so­nen, die sich mit ih­ren po­li­ti­schen und welt­an­schau­li­chen Über­zeu­gun­gen ge­gen das Re­gime rich­te­ten. Es war kei­ne ge­richt­li­che Über­prü­fung vor­ge­se­hen. Den Ge­fan­ge­nen brauch­ten die Grün­de für ihre Ver­haf­tung nicht mit­ge­teilt wer­den. Sie wa­ren recht­los dem Re­gime aus­ge­setzt.
Os­kar Drees wur­de im KZ schwer miss­han­delt. In ei­nem Aus­zug aus dem Be­fund des Haupt­ge­sund­heits­am­tes an das Lan­des­amt für Wie­der­gut­ma­chung vom 12. Ok­to­ber 1950 steht zu den Spät­fol­gen sei­ner Miss­hand­lun­gen: „Herr D. bemerkt zeitweise einen Nebel oder Flimmern vor den Augen sowie Stirnkopfschmerzen, besonders über dem li. Auge, die vorzugsweise nach längerem Lesen auftreten. Weiter bemerkt Herr D. ein periodenweise auftretendes Ziehen im rechten Arm von der Schulter bis zu den Fingerspitzen. Es fehlen ihm alle Zähne.“
In ei­nem wei­te­ren Be­richt vom 31. Ja­nu­ar 1949 der Bre­mer Staats­an­walt­schaft zum Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­gen die Mit­glie­der der Wach­mann­schaft vom KZ Miß­ler heißt es: „Schon beim Besteigen des Transportwagens, der die Häftlinge nach Mißler bringen sollte, wurde mit dem Gummiknüppel auf die Häftlinge geschlagen, ebenso beim Verlassen des Wagens vor dem KZ Mißler.“
Die­se Trans­por­te fan­den meis­tens abends in der Dun­kel­heit statt. Un­ter Fuß­trit­ten, Ge­wehr­kol­ben- und Gum­mi­knüp­pel­hie­ben wur­den die Häft­lin­ge vom Wa­gen her­un­ter­ge­sto­ßen und durch ein von der Be­wa­chungs­mann­schaft ge­bil­de­tes Spa­lier auf den Hof des Miß­ler-La­gers ge­trie­ben, wo sie z. T. meh­re­re Stun­den ste­hen muss­ten. An­schlie­ßend ging es noch­mals wie­der un­ter Hie­ben in den Ta­ges­raum. Um 21.00 Uhr muss­te al­les in den Bet­ten lie­gen. Aus­tre­ten des Nachts war strengs­tens ver­bo­ten. Des Nachts fan­den viel­fach Ver­neh­mun­gen im Kel­ler statt. Zu die­sem Zweck wur­de das je­wei­li­ge Op­fer aus dem Schlaf­raum ge­ru­fen und in den Kel­ler ge­jagt. Nur mit ei­nem Hemd be­klei­det, muss­ten die Ge­fan­ge­nen in den Kel­ler, wo man ih­nen im Dun­keln eine De­cke über den Kopf warf und sie dann an­schlie­ßend grün und blau schlug.

Die So­li­da­ri­tät zwi­schen den „Schutz­häft­lin­gen“ war ge­ra­de we­gen der Re­pres­sa­li­en trotz po­li­ti­scher Un­ter­schie­de groß. Als Al­fred Faust und Os­kar Drees bei ei­ner nächt­li­chen Prü­gel­ver­neh­mung im Hei­zungs­kel­ler zu­sam­men­ge­schla­gen wur­den, or­ga­ni­sier­te Al­bert Olt­manns ei­nen Hun­ger­streik mit sei­nen an­de­ren KPD-Ge­nos­sen.

Os­kar Drees war im KZ Miß­ler vom 3. Juni 1933 bis 14. Juli 1933, wie er selbst schreibt, „aus welt­an­schau­lich po­li­ti­schen Grün­den“ in­haf­tiert. Er wur­de nur mit Hil­fe ein­fluss­rei­cher Freun­den ent­las­sen. Ei­ner die­ser Freun­de war z. B. Franz Sta­pel­feldt, Werft­di­rek­tor der AG We­ser. Nach Ent­las­sung aus dem KZ durf­te Drees nicht als Leh­rer ar­bei­ten und kam als Nach­kal­ku­la­tor bei der AG We­ser un­ter.

Drees wur­de im Au­gust 1944 zum zwei­ten Mal ver­haf­tet und dies­mal im KZ Far­ge in­haf­tiert. Im Rah­men der von den Fa­schis­ten ge­nann­ten „Ak­ti­on Git­ter“ (Auch als „Ak­ti­on Ge­wit­ter“ oder „Ak­ti­on Himm­ler“ be­kannt) wur­den von der Ge­sta­po reichs­weit alle ehe­ma­li­gen noch „greif­ba­ren“ op­po­si­tio­nel­len Reichs­tags- und Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten (in Bre­men Bür­ger­schaft) von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten prä­ven­tiv fest­ge­nom­men und ver­hört, dar­un­ter auch Os­kar Drees. Sei­ne Ent­las­sung aus der „Schutz­haft“ er­folg­te am 4. Sep­tem­ber 1944.

Nach dem zwei­ten Welt­krieg konn­te Drees wie­der als Leh­rer wir­ken. Er wur­de Schul­lei­ter, 1950 Turn­rat und 1952 Lan­des­turn­rat im Bil­dungs­be­reich. 1946 grün­de­te er den Lan­des­sport­bund, des­sen Prä­si­dent er bis 1966 blieb. Au­ßer­dem war er Vi­ze­prä­si­dent des Deut­schen Sport­bun­des (heu­te DOSB). Drees bau­te in Bre­men also so­wohl die Sport­or­ga­ni­sa­ti­on und die In­fra­struk­tur (z. B. Bau von Turn­hal­len) neu auf. Am 16. No­vem­ber 1966 er­hielt Drees das gro­ße Ver­dienst­kreuz des Ver­dienst­or­dens der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land.

Os­car Drees ver­starb am 28. Juni 1968, er wur­de bei­ge­setzt auf dem Fried­hof Hu­ckel­rie­de.

Autor: Uli Ma­ri­en­feld (ATS Bun­ten­tor)

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