Die Mutter von Otto Polak hieß Johanne Jacobson. Sie wurde am 09.09.1932 im Bremer Dom mit Carl Polak, einem jüdischen Viehhändler und Schlachter getraut. Der Kirchweyher Pfarrer Wilhelm Grossmann hatte dazu den kirchlichen Segen verweigert. Am 16.07. 1933 wurde ihren Sohn Otto Polak in Bremen geboren. Er wurde christlich getauft und erzogen, galt aber nach den Bestimmungen der NS- Rasse Gesetze als „Halbjude“. Die Familie lebte in Kirchweyhe in dem Haus, das ihnen der Vater von Johanne Jacobsohn geschenkt hatte.
Die Ehe von Johanne und Carl Polak wurde 1937 geschieden. Carl zog nach Bremen zu seiner Mutter Adele Polak in die Graudenzer Strasse 45. Das Kind Otto blieb bei seiner Mutter Johanne Polak, die 1942 an Tuberkulose starb. Otto wuchs anschließend bei seiner Großmuttter mütterlicherseits (Hilde Jacobsohn) in Kirchweyhe auf.
Der siebenjährige Otto Polak durfte nicht in die Kirchweyher Schule gehen, da jüdischen Kindern durch den Erlass vom 15.11.1938 des Reichserziehungsministers Rust der Besuch öffentlicher Schulen nicht mehr gestattet war. Ottos Mutter Johanne hoffte jedoch auf eine Ausnahmeregelung, doch der Landrat des Kreises Grafschaft Hoya teilte ihr im November 1939 mit, dass ihr Sohn in die „Judenschule“ nach Bremen müsse.
Ab 1939 ging Otto auf diese jüdische Religionsschule in der Kohlhökerstraße 6. Sie war Ende März 1939 von dem Rabbi Dr. Jacob Wiener gegründet worden.
Die jüdische Schule wurde eingerichtet, um den Kindern die Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, weshalb man vor allem Englisch-, Geografie-, Hebräisch- und Religionsunterricht erteilte. Der kleine Otto, der in Kirchweyhe bei seiner Großmutter wohnte, musste also allein von seiner Wohnung dort zum Bremer Hauptbahnhof fahren und zu Fuß zur Kohlhökerstraße laufen. Häufig war er auf seinem Weg Repressalien ausgesetzt.
In der Schule gab es ein Zimmer, in dem der Lehrer Nußbaum die erste und zweite Klasse unterrichtete, wie Otto sich erinnert. Herr Nußbaum lehrte die Kinder in erster Linie Hebräisch, woran Otto aber nicht viel Gefallen fand; er verstand die Sprache und die Schriftzeichen nicht. Erschwerend kam hinzu, dass ihm aus seiner Familie niemand helfen konnte und die Lehrer drängten, denn die Kinder sollten unbedingt Hebräisch lernen. Sie hofften, ihren Schülern eine Auswanderung nach Palästina zu ermöglichen.
Tatsächlich sind alle Bewohner/innen und Schüler/innen, bis auf Otto Polak, im Dezember 1941 deportiert worden. Um keinen Widerstand zu provozieren, hatte man den Eltern in den Tagen zuvor gesagt, die Schüler sollen mit leichtem Gepäck für einen Ausflug kommen. Der Schüler Otto Polak entkam der Deportation, weil er am Tag der Verhaftung aufgrund einer Hauterkrankung nicht in der Schule war. Ottos Oma hatte mit dem Wissen um die Deportationen jüdischer Mitmenschen den „Ausflug“ richtig interpretiert. Mit Hilfe einer für Otto unverträglichen Salbe führte sie die Hauterkrankung bewusst herbei. Otto Polak konnte in Kirchweyhe untertauchen und stellte sich bis ins hohe Alter als Zeitzeuge zur Verfügung.
Sein Vater Carl und seine Grossmutter Adele Polak wurden 1941 nach Minsk deportiert und sind dort unter ungeklärten Umständen ermordet worden.
Veröffentlicht am 31. Januar 2011 und aktualisiert am 25. Oktober 2024