Gustav Greiffenhagen (1902 – 1968) wurde den Bremer Nationalsozialisten mit seinen Schriften und Predigten sowie in seinem Handeln zum Ärgernis. Der aus Hannover gebürtige Pfarrerssohn machte das Abitur am humanistischen Gymnasium in Clausthal-Zellerfeld, studierte Theologie in Göttingen und arbeitete als Hauslehrer und Vikar. 1926 bestand er in Hannover die zweite theologische Prüfung, promovierte über den Theologen und Philosophen Friedrich Schleiermacher (1768 – 1834) und wurde Hilfsgeistlicher im Kreis Wesermünde. Die Bremer Gemeinde St. Stephani berief ihn 1931 zum Pastor.
Bereits während seines Studiums und auch während des Vikariats wurden die Schriften des Schweizer Theologen Karl Barth (1886 – 1968) zu einer Richtschnur für ihn. Er hatte Hitlers Buch „Mein Kampf“ gelesen und sah, wohin die Reise gehen würde. So war es nur folgerichtig, dass er nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 immer wieder gegen die Bremer Deutschen Christen mit ihrer Vermengung von Religion und Volkstum aufmuckte. Als deren Anführer Heinrich Weidemann (1895 – 1976) sich 1933 handstreichartig zum Bischof ernennen ließ, protestierte Gustav Greiffenhagen öffentlich. Er forderte auch seine Gemeinde zum Protest auf. Daraufhin sorgte Weidemann für seine Suspendierung und mit einem Disziplinarverfahren für seine Entlassung aus dem kirchlichen Dienst.
Obwohl Greiffenhagen auch das Betreten kirchlicher Gebäude verboten worden war, setzte er seine Arbeit unbeirrt fort. Er war der einzige Bremer Theologe, der 1934 an der Bekenntnissynode in Wuppertal-Barmen teilnahm, auf der sich die Bekennende Kirche formierte. Seine Gemeinde hielt zu ihm und unterstützte ihn, allen voran die Studienrätin Magdalene Thimme (1880 – 1951), ebenso der Kaufmann Dr. Gustav Meyer (1900 – 1953) aus dem Gemeindevorstand, der zugleich Schriftführer der Bekennenden Gemeinden war.
Im Jahr darauf, am Gründonnerstag 1935, sorgten die Deutschen Christen dafür, dass es vor dem Pfarrhaus zu einem Aufmarsch der SA kam. Es wurden Lieder „gegen die Pfaffen“ gesungen, Rufe „Holt den Pfaffen raus“ ertönten. Greiffenhagen wurde – angeblich zu seinem Schutz – verhaftet und nach Ostern wieder entlassen. Er nahm seine Arbeit in gewohnter Weise wieder auf. Die Folge waren weitere Verhaftungen und Verhöre durch die Gestapo. Ein Sondergerichtsverfahren 1938/39 wurde wegen eines Gnadenerlasses eingestellt. Dafür wurde der Vater von sechs Kindern schon im August 1939 zum Wehrdienst eingezogen, allerdings ein halbes Jahr später in Bremen in der Wehrmachtsverwaltung eingesetzt. So konnte er nebenher in seiner Gemeinde Bibelstunden und Gottesdienste halten. Er war Mitglied im Bruderrat der Bekennenden Kirche, verließ dieses Gremium jedoch bereits 1936 mit der Begründung, man sei dort gegenüber nationalsozialistischen Forderungen zu kompromissbereit.
Im Herbst 1941 begann die Deportation der Bremer Juden. In einem Abendmahlsgottesdienst zum Reformationsfest verabschiedete die Gemeinde St. Stephani-Süd am 2. November einige getaufte Juden aus ihren Reihen. Sie wurden ausdrücklich gesegnet und mit warmer Kleidung und Geld versorgt in der Annahme, sie würden zum Arbeitseinsatz in den Osten verschickt. Greiffenhagen begründete diese Haltung in einem Bericht an seinen militärischen Vorgesetzten: „Zur Gemeinde gehört, wer getauft ist und sich am gottesdienstlichen Leben der Gemeinde beteiligt…Im Raume der Kirche gelten die Unterschiede, die im Raum des Staates und der Welt ihre Berechtigung haben mögen, nicht“.
Daraufhin wurden Gustav Greiffenhagen und die beteiligten Gemeindeglieder von seinem Nachbarn und DC-Kollegen Herbert-Werner Fischer (1905 – 1945) angezeigt. Alle wurden zunächst verhaftet: die Lehrerinnen Magdalene Thimme (1880 – 1952), Thusnelde Forck (1897 – 1972), Maria Schröder (1901 – 1984), Hedwig Baudert (1899 – 1991) und Anna Dittrich (1899 – 1981) sowie Gustav Greiffenhagen. Die Frauen wurden vorübergehend vom Dienst suspendiert, ihre Bezüge gekürzt. Greiffenhagen wurde erneut verhaftet und nach Hamburg versetzt, später nach Dänemark.
Nach 1945 kehrte er an seinen Platz in St. Stephani zurück, wo er bis 1967 wirkte. In Aufrufen, Predigten und Schriften mischte er sich immer wieder in aktuelle politische Fragen ein, so zum Beispiel zum Thema Wiederbewaffnung. Er wurde Vorsitzender des Landesverbandes Bremen im Internationalen Versöhnungsbund und gehörte dem Kuratorium der Gesellschaft für Brüderlichkeit an.
(Quellen: Diether Koch „Die Haltung der St. Stephani-Gemeinde in Bremen zum Antisemitismus und zu ihren Gliedern jüdischer Herkunft nach 1933“, 1993; Kurt Meyer „Der evangelische Kirchenkampf “Band 2 und 3, Vandenhoeck&Ruprecht, 1976; Almuth Meyer-Zollitsch „Nationalsozialismus und evangelische Kirche in Bremen“, Veröffentlichung aus dem Staatsarchiv Bremen, 1985; Sammelband „850 Jahre St. Stephani Gemeinde“, steintor: Bremen Verlagsgesellschaft mbH)
Veröffentlicht am 8. August 2015 und aktualisiert am 29. November 2022