Arnold Braun wurde am 31. August 1914 in Levern geboren. Er verbrachte seine Kindheit in Rotterdam. Seine Frau Martha, geb. Trollmann, war in Ohrdorf, im Kreis Gifhorn, am 10. August 1915 geboren worden. Ihre Eltern waren Hermann und Anna, geb. Steinbach, Trollmann. Beide Ehepartner waren evangelisch.
Am 10. April 1940 heirateten sie in dem Geburtsort von Arnold Braun in Levern bei Osnabrück (heute Ortsteil von Stemwede im Landkreis Minden-Lübbecke). Am 15. April zog das Ehepaar nach Bremen in die Auguststraße 70, wo offenbar Familienmitglieder der Ehefrau (Familie Trollmann) wohnten. Am gleichen Tag wurde Arnold Braun zur Wehrmacht eingezogen. Einen Monat später wurde am 14. Mai 1940 Sohn Adolf geboren. Ein weiteres Kind war bereits am 28. Oktober 1934 zur Welt gekommen: Gisela. Sie scheint bei dem Umzug der Familie nach Bremen in dem früheren Wohnort, Rohlsdorf (Brandenburg), geblieben zu sein. 1943 wohnte die Familie zuletzt in der Stiftstraße 9.
Als Berufsangabe ist auf der Meldekartei „Artist“ vermerkt. Bis 1938 hatte Arnold Braun als Schausteller bei seinem Vater gearbeitet. In diesem Jahr ist er verhaftet und in dem KZ Sachsenhausen inhaftiert worden. Dahinter verbirgt sich die Verhaftungsaktion „Arbeitsscheu Reich“, bei der im Juni 1938 u.a. auch Sinti und Roma ins KZ Sachsenhausen verschleppt wurden. Nach seiner Entlassung gegen Ende 1938 wurde Arnold Braun „sofort zur Wehrmacht einberufen“ und war bis 1942 Soldat. Er nahm an dem Polenfeldzug teil, war anschließend in Frankreich eingesetzt und zuletzt in Dänemark stationiert. 1942 wurde er entlassen und war bis zur Deportation im März 1943 als Arbeiter in Bremen beschäftigt gewesen. Weitere Arbeitsstellen in Bremen waren die AG Weser und die Schuhmacherwerkstatt Bilk in der Opernstraße.
Am 8. März 1943 wurde die zu diesem Zeitpunkt in der Stiftstraße 9 wohnende Familie Braun in das „Zigeunerfamilienlager“ Auschwitz-Birkenau deportiert. Sie mussten in Bremen ihren Wohnwagen zurücklassen. Er war 5 Meter lang und komplett ausgestattet. Die Familie erreichte am 12. März 1943 das „Zigeunerfamilienlager“ Auschwitz. Arnold Braun erhielt die Nummer „Z 2087“, der Sohn Adolf die Nummer „Z 2088“ und die Mutter die Nummer „Z 2350“ in den Unterarm eintätowiert. Infolge der katastrophalen ‚Lebens’bedingungen erkrankten alle drei Familienmitglieder nach kurzer Zeit an Hungertyphus. Sohn Adolf, geboren am 14. Mai m1940 in Bremen, starb 1943 nach nur zwei Monaten im KZ. Martha Braun war schwanger als sie in das „Zigeunerfamilienlager“ Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. Am 5. Oktober 1943 wurde eine Tochter in Auschwitz geboren, Rosa. Sie überlebte die KZ-Haft.
Martha Braun wurde, getrennt von ihrem Mann, am 2. August 1944 mit einem der letzten Transporte ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück transportiert. Hier wurde das Ehepaar getrennt: Mutter und Tochter wurden am 7. März 1945 ins KZ Mauthausen und am 17. März 1945 ins KZ Bergen-Belsen transportiert. Dort wurden sie am 15. April 1945 befreit. Arnold Braun wurde am 3. März 1945 in das KZ Sachsenhausen überführt. Er gehörte zu den Häftlingen, die gegen Ende des Krieges in Wehrmachtsuniformen gezwungen wurden und gegen die sowjetrussische Armee kämpfen mussten. Hierbei geriet er in Kriegsgefangenschaft.
Am 22. Juni 1945 meldeten sich Mutter und Kind wieder in Bremen an. Sie lebten bis zur Rückkehr von Arnold Braun aus der Kriegsgefangenschaft 1947 in einem Wohnwagen zunächst in Bremen-Findorff am Torfhafen, dann in Bremen-Gröpelingen, Schwarzer Weg 26a.
Das Überleben der Tochter Rosa grenzt an ein Wunder. Ganz sicher gehört Rosa Braun zu den sehr wenigen im „Zigeunerfamilienlager“ in Auschwitz-Birkenau geborenen Kindern, die überlebten. Möglicherweise ist Rosa Braun sogar das einzige Kind, das in Auschwitz-Birkenau im “Zigeunerfamilienlager“ geboren wurde und überlebte. Die Überlebenschancen dieser Babys, aber auch die ihrer Mütter, waren äußerst gering. Babys im „Zigeunerfamilienlager“ aufzuziehen und zu ernähren war fast unmöglich. Zudem sei es, so eine Zeitzeugin, eine „Spezialität der SS-Wachmänner gewesen, hochschwangere Frauen so lange zu treten, bis der Geburtsvorgang einsetzte.“ Und eine andere Frau berichtete: „Wenn die Frauen trotz der schweren Tritte und der ungewöhnlichen Niederkunft laufen konnten, schleppten sie sich mit ihren neugeborenen Kindern in den Krankenbau.“ Und dort? Wieder eine Zeitzeugin: „In dem Krankenrevier lag auf dem Boden eine Sintezza, deren Unterleib entblößt war, zwischen ihren Schenkeln lag ein Baby, das sie ersichtlich gerade geboren hatte. Sie jammerte leicht vor sich hin. Ein SS-Mann wollte, dass sie aufstehe. Tat sie nicht. Er hat ihr in den Unterleib getreten.“ Es gibt viele solcher, sich alle ähnelnden Schilderungen. Wie es scheint, waren insbesondere schwangere Frauen ein besonderes Hassobjekt der SS.
Rosa Braun starb 2003 bei einem Autounfall. Besonders auffällig , berichtet ihre Schwester, sei ihre Z-Nummer (9485) auf dem Unterschenkel gewesen und nicht auf dem Unterarm, weil bei Babys dort mehr Platz für eine Tätowierung ist. Rosa Braun ist auf dem Waldfriedhof in Vechta beerdigt. Ebenso ihre Eltern.
Autor: Dr. Hans Hesse
Literatur:
Hesse, Hans, „[…] ich habe in der ersten Zeit nach dem Unfall befürchtet, dass er nicht mit dem Leben davon kommen würde.“ – Die NS-Verfolgung der Familie Arnold und Martha Braun, in: Hesse, Hans, „Ich bitte, die verantwortlichen Personen für ihre unmenschlichen barbarischen Taten zur Rechenschaft zu ziehen“ – Die Deportation der Sinti und Roma am 8. März 1943 aus Nordwestdeutschland, Bremen 2022, S. 94–98.