Der stellvertretende Leiter der Bremer Kriminalpolizei, dem zugleich die „Dienststelle für Zigeunerfragen“ unterstellt gewesen war, Kriminaldirektor Carl Krämer, verfasste 1949 einen Bericht für das Landesamt für Wiedergutmachung über die nationalsozialistische Verfolgung der Sinti und Roma in Bremen. Hierin gab er an, dass die Planungen für die Verhaftungen im Mai 1940 „in den Händen eines Krim.-Kommissars Sieber […] und des Krim.-Insp. [Riekus] Ideus und des […] Krim.-Sekr. [Franz] Gails, des eigentlichen Zigeuner-Sachbearbeiters“ gelegen hätten. Den Transport von Bremen nach Hamburg habe der Kriminalkommissar Smetana geleitet. Gails habe ihn begleitet. Soweit er sich erinnern könne, seien aus Bremen keine Sinti und Roma betroffen gewesen.
Nach Krämer wurden die „Zigeuner […] von den zuständigen Gendarmen nach Bremen in ein vorläufiges Sammellager im damaligen Schützenhof in Gröpelingen gebracht.“ Alle „den Zigeunern abgenommenen Wertsachen [mussten] der Krim.-Polizei Hamburg übergeben werden […].“
Es gibt Berichte von Sinti und Roma aus der Oldenburger Gegend, die die Deportationen schildern: Am Vorabend des 16. Mai 1940 seien sie zu den Wohnwagen gekommen und hätten die Sinti aufgefordert, am nächsten Tag nicht zur Arbeit zu gehen. Gegen 9 Uhr seien am anderen Morgen die beiden Beamten Lefeber und Kulessa aus Friesoythe erschienen und hätten ihnen befohlen, ihre Papiere bereitzuhalten und ihre Sachen zu packen, da sie am Mittag weggeholt werden sollten. Die Wohnwagen sollten sie abschließen und alles zurücklassen. Die Sachen würden nachgeschickt.
Ernst Petermann berichtet, sie seien mit der Eisenbahn von Edewechterdamm nach Bremen gefahren worden und im Schützenhof „in einem größeren Saal“ untergebracht gewesen. Dort wurden ihre Personalien aufgenommen, „unsere Sachen kontrolliert und einige Personen ausgesondert.“ Mit dieser ‚Aussonderung‘ hat es eine spezielle Bewandtnis. Ernst Petermann beschreibt die Situation: „Meine Schwester und deren Familie kamen früher an den zählenden Beamten als meine Familie und ich. Als meine Familie und ich, sowie die Familie des Schwagers, Eduard Adam, für die Zählung und die Registrierung an der Reihe waren, wurde uns eröffnet, wir seien überzählig und könnten wieder gehen.“ Hintergrund dieser Zurückstellung ist, dass aus Nordwestdeutschland 1.000 Sinti und Roma deportiert werden sollten. Nochmals 1.000 aus dem Kripoleitstellengebiet Köln und 500 aus Baden-Württemberg.
In Bremen auf dem Schützenhof in der Bromberger Straße 117 wurden mind. 50 Menschen interniert, von denen 42 namentlich bekannt sind. Und zwar aus Bremen (1), Oldenburg (24), davon 16 namentlich bekannt), Verden (5), Emden (5), Bremervörde (7) und aus der Gegend um Edewechterdamm (8).
Der Hauptdeportationsort jedoch war Bremerhaven. Von hieraus wurden mind. 94 Sinti, die namentlich bekannt sind, direkt nach Hamburg überführt.
Autor: Dr. Hans Hesse
Literatur:
Hesse, Hans, … wir sehen uns in Bremerhaven wieder … Die Deportation der Sinti und Roma am 16./20. Mai 1940 aus Nordwestdeutschland, Bremerhaven 2021, S. 42–43.
Online: Hesse, Hans, Die fast vergessene Deportation (https://wkgeschichte.weser-kurier.de/die-fast-vergessene-deportation/)
Quellen:
StA Bremen 4, 89/3 – 710, Ermittlungsverfahren gegen Wilhelm Mündtrath, Bl. 150–154. Die Deportationen im Mai 1940 betreffend vgl. Bl. 152.
Bild: Aktuelles Bild des Schützenhofes aus 2015, freundlicherweise von Claudia Bade zur Verfügung gestellt.
Veröffentlicht am 25. März 2023 und aktualisiert am 21. April 2023