Spanische Gefangene in Abschiebehaft der Bremer Gestapo

Die spanischen Gefangenen im Marlag und Milag Nord, 1941-1943, Foto: privat.
Personalkarte des Kapitän Manuel Bonich Canizares, Marlag und Milag Nord 1941, The National Archives UK WO 416/56/371.
29. April 1943
Am Wall 209, Bremen

Vom 29. Juni bis zum 3. August 1943 waren sieben spanische Zivilinternierte im Gestapogefängnis Ostertor inhaftiert. Die Zeit, die sie dort in Abschiebehaft verbrachten ist nur eine Station ihrer langen Verfolgungsgeschichte.

Manuel Bonich Canizares, Manuel Gaciño Calo, Francisco Gil Gonzalez, Pedro Martinez, Luis Queija, José Rosa und Pedro Maria Urquijo[1] waren Besatzungsmitglieder des Frachtschiffes „Panama Jon“, das unter panamaischer Flagge auf der Route Dublin-Lissabon eingesetzt war. Am 5. Oktober 1941 war das Schiff im Golf von Biskaya von einem deutschen U-Boot versenkt worden. Die gesamte Besatzung geriet in deutsche Gefangenschaft und wurde in das Marine- und Marine-Internierten-Lager (Marlag und Milag Nord) im niedersächsichen Westertimke gebracht, das zum Komplex des Kriegsgefangenenlagers Stalag XB in Sandbostel gehörte.

Nach knapp 2 Jahren Gefangenschaft im Marlag und Milag Nord sollten die sieben Spanier zurück in ihre Heimat überführt werden. Am 29. Juni 1943 nahm die Bremer Gestapo sie in Abschiebehaft und brachte sie im Gefangenenhaus Ostertor unter. Kleidung und Wertgegenstände wurden beschlagnahmt.

Der Kapitän Manuel Bonich verfasste dort am 25. Juli 1943 einen Brief an den ihm unbekannten „Chef der Gestapo“ (zu diesem Zeitpunkt Erwin Dörnte):

„Sehr geehrter Herr,

In meinem Namen und im Namen meiner sechs spanischen Kameraden bitte ich Sie um die Freundlichkeit, sich dem Fall anzunehmen, den ich Ihnen vorzutragen wage.

Am 29. Juni, bis zu dessen Datum wir 21 Monate als zivilinternierte Seemänner im Marlag und Milag Nord waren, wurden wir in dieses Gefängnis in Bremen verlegt. Bei der Ankunft teilte man uns keine Anklage mit, sondern dass wir hier fünf oder sechs Tage bleiben würden. Als wir das Lager verließen, verstanden wir, dass wir nach Spanien geschickt würden, deswegen bitten wir Sie, uns unsere Lage mitzuteilen und uns die Erlaubnis zu erteilen, an unsere Familien in Spanien zu schreiben.

Da wir schon lange Zeit in diesem Gefängnis sind, benötigen wir unsere Kleidung und Waschutensilien, die seit unserer Ankunft in den Büros der Gestapo deponiert sind. Wenn Sie es für angebracht halten, ihre Überstellung in dieses Gefängnis anzuordnen, so danken wir ihnen aufrichtig. […]

M.B. Canizares[2]

Eine schriftliche Antwort erhielt Manuel Bonich nie und es sollte noch lange dauern, bis er nach Hause zurück kehren konnte. Am 3. August 1943 wurden die sieben Gefangenen aus Platzmangel in das Arbeitserziehungslager Bremen-Farge verlegt. Offiziell war dieses Lager zur Bestrafung und Disziplinierung der Arbeiterschaft eingerichtet worden; die Haftdauer sollten 56 Tage betragen. Da die Bremer Haftanstalten wegen Bombenschäden und steigender Verhaftungszahlen jedoch hoffnungslos überfüllt waren, nutze die Gestapo das Lager spätestens ab 1943 auch als Ersatzgefängnis.

Die geplante Abschiebung fand nie statt. Im Jahr 1943 brachen die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Spanien ab, als der Diktator Francisco Franco begann, sich den Alliierten anzunähern und offiziell Spaniens „Neutralität“ bekundete. Über ein Jahr lang blieben die sieben Männer im Arbeitserziehungslager. Am 16. Oktober 1944 wurden sechs von ihnen an das Bremer Arbeitsamt übergeben und mussten bis zum Kriegsende Zwangsarbeit für die beiden Firmen Bremer Holzindustrie und Seifenfabrik August Wencke leisten. Sie waren in einem geschlossenen Lager in Bremen-Lesum untergebracht. Der Gefangene Manuel Gaciño beschrieb diese Zeit als eine Fortsetzung des „Hungers u[nd] Elends“.[3]

Der Kapitän Manuel Bonich wurde inzwischen verdächtigt, ein britischer Spion zu sein, weil er unterschiedliche Angaben zu seiner Nationalität gemacht hatte. Er blieb in der Gewalt der Gestapo und sollte im März 1945 in ein Konzentrationslager eingewiesen werden. Ob diese Einweisung so kurz vor Kriegsende noch erfolgte, ist nicht bekannt.

Um die Spuren ihrer Verbrechen zu verwischen, verbrannte die Bremer Gestapo im März 1945 ihre Unterlagen. Es ist wohl ein Zufall, dass die Akte über die sieben spanischen Gefangenen vom britischen Militär sichergestellt werden und so überliefert werden konnte.

Soweit bekannt, haben Manuel Bonich, Manuel Gaciño und José Rosa die Gefangenschaft in den Lagern überlebt. Die Schicksale der anderen drei sind nicht bekannt.

Text: Anja Hasler

 

Literatur:

Hasler, Anja: Spanische Seeleute im Arbeitserziehungslager Bremen Farge, in: Schöck-Quinteros; Rau (Hrsg.): Verteidigen, Verdängen, Vergessen. Das Arbeitserziehungslager Bremen-Farge nach 1945, Bremen 2020, S. 127-150, URL: https://www.academia.edu/60769180/Spanische_Seeleute_im_Arbeitserziehungslager_Bremen_Farge

 

[1]     Namen nach aktuellem Kenntnisstand. Da sich in den überlieferten Dokumenten unterschiedliche Schreibweisen finden, kann nicht in allen Fällen für ihre Richtigkeit garantiert werden.

[2]     Manuel Bonich Canizares an den Chef der Gestapo Bremen am 25.7.1943 (Übersetzung Anja Hasler), Example IV of Case Files of Gestapo Bremen, TNA WO 309/374.

[3]     Niederschrift im Wiedergutmachungsverfahren Manuel Gaciño vom 2.5.1953, StAB 4,54 E6065. Das Lager in Bremen-Lesum wurde von beiden Firmen gemeinschaftliche betrieben.

Veröffentlicht am und aktualisiert am 19. April 2024

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