Auf Grund der Verfolgung und den häufig damit verbundenen finanziellen Auflagen der NS-Behörden, sah sich die jüdische Bevölkerung Deutschlands, sowie später auch die in den besetzten Gebieten von Frankreich, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden, gezwungen, ihre Firmen, Immobilien, aber auch Kunstgegenstände, Hausrat und Kleidung unter Wert zu verkaufen. In vielen Fällen wurden ihnen das alles als sogenanntes „beschlagnahmtes Gut“ von den NS-Sicherheitsorganen wie Gestapo und Polizei im Rahmen der „M-Aktion“ geraubt.
Immobilien der jüdischen Bevölkerung wurden entweder verkauft oder vom Staat für ihre eigenen Behörden und Institutionen genutzt. Villen wurden Dienstsitze von Gestapo oder Polizei, Immobilien wurden als „Judenhäuser“ eingerichtet, in denen mehrere jüdische Familien nach dem Reichsbürgergesetz von 14. November 1935 zwangsuntergebracht wurden.
Jüdische Bürger*innen, die es geschafft hatten, noch ein Ausreisevisum zu erhalten, lagerten ihren Hausrat, aber auch Kleidung und Kunstgegenständen, in Transportkisten im Hafen, damit diese nachgeschickt werden konnten. Verschickt wurden sie in der Regel nur bis zu Kriegsbeginn und anschließend versteigert.
Hausrat und Kleidung wurden bei öffentlichen Veranstaltungen versteigert oder auch den „arischen“ Bürger*innen der Gemeinden, die ausgebombt waren, kostenlos oder für kleines Geld gegeben. Solche Verkäufe, Versteigerungen und Verteilaktionen fanden beispielsweise in der Gaststätte des Weserstadions, in verschiedenen Turnhallen, bei Speditionen wie Friedrich Bohne in der Friesenstraße und im Hemelinger Tivoli, dem heutigen „Aladin“ statt. Der Staat selbst war also Nutznießer dieser Versteigerungen.
Damit genügend Hausrat und Kleidung zu diesen Versteigerungen vorlagen, wurden hiesige Transportfirmen beauftragt, diese aus dem Ausland heran zu schaffen. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Bremer Firma Kühne & Nagel, die im Gefolge der Wehrmacht zahlreiche Dependancen im besetzten Ausland gründete. Im Bremen und im Ausland hatte die Firma genügend Transport- und Lagerkapazitäten. Aus Amsterdam wurden z. B. geraubte Güter mit flachen Schiffen, auf denen Holzcontainer montiert waren, nach Bremen transportiert. Der Verdienst für die Firma war für damalige Verhältnisse enorm.
Diesen Teil ihrer Geschichte hat der inzwischen weltweit agierende Kühne & Nagel Konzern nie richtig aufgearbeitet bzw. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es waren vor allem die Presse und zivilgesellschaftliche Kräfte in Bremen, die darauf aufmerksam gemacht haben. Mittlerweile gibt es an der Wilhelm-Kaisen-Brücke und in unmittelbarer Nähe zum deutschlandweiten Firmensitz ein „Arisierungsmahnmal“, das daran erinnert, dass Bremer Transportfirmen, nicht nur Kühne & Nagel, sich an den Raubzügen der Nationalsozialisten bereichert haben. Zu denjenigen, die von den Raubzügen profitierten, gehörten der Fiskus genauso wie die zahlreichen Privatleute, die bereitwillig die Gelegenheit zur Bereicherung nutzten. Mehr dazu findet man unter www.geraubt.de.
Weiterführende Literatur: Raub von Amts wegen : zur Rolle von Verwaltung, Wirtschaft und Öffentlichkeit bei der Enteignung und Entschädigung der Juden in Bremen / Jaromir Balcar (Hg.) Bremen : Edition Temmen, [2014]
Veröffentlicht am 17. Dezember 2024 und aktualisiert am 28. Dezember 2024