1984 feierte das Modehaus Többens in ihrer Filiale in der Gerhard-Rohlfs-Straße 1, direkt gegenüber dem Mitbewerber Leffers, sein 50jähriges Firmenjubiläum mit einem großen Jubiläumsverkauf. Der Begründer und Kapitalgeber der Firma Többens war Walter Caspar Többens.
Geboren am 19. Mai 1909 in Meppen, verschlägt es den jungen Kaufmann nach einer Lehre zum Textilkaufmann in Osnabrück 1931 nach Vegesack. Hier ist er zunächst als Abteilungsleiter in der Vegesacker Filiale seines ehemaligen Lehrherren Leffers tätig. Gegenüber, in der Gerhard-Rohlfs-Str. 1, verkauft er ab 1936 als selbständiger Kaufmann Herrenbekleidungsartikel. Von 1934 bis 1940 gelingt es ihm, mehrere jüdische Geschäfte, meistens im Rahmen sogenannter Arisierungsmaß-namen“, zu erwerben. In Verbindung mit der Adresse in der Gerhard-Rohlfs-Straße taucht sein Name 1937 erstmalig auf. Auch das große Kaufhaus von Julius Bamberger an der Faulenstraße (heute Sitz der VHS-Bremen) geht in seinen Besitz über. Dieses kann er allerdings erst 1944 kaufen, nachdem er in der Lage ist, die Kaufsumme von 1,4 Mill RM aufzubringen.
Wie kam Többens an dieses Geld?
Über den Reichswirtschaftsminister Dr. Lauts gelingt es Többens, ab Herbst 1941 im Warschauer Getto Produktionsstätten für Uniformen, Leder- und Pelzwaren aufzubauen. Eigenkapital benötigt er nicht. Produktionsstätten werden ihm ebenso wie Arbeitskräfte gestellt. Tausende von Juden und Jüdinnen nähen täglich 12 Stunden für Többens Kleidung für die Wehrmacht – an Nähmaschinen, mit denen sie sich zuvor bei ihm einkaufen mussten. Ihr Lohn: Ein halber Liter Suppe, ein Stück Brot, Ersatzkaffee und die (trügerische) Hoffnung, durch die Arbeit für Többens Schlimmerem entgehen zu können. Seine Werkstätten betritt Többens stets mit Peitsche. Augenzeugen berichteten später, dass er davon auch Gebrauch machte. Ebenso wurde bezeugt, dass er sich aktiv an Selektionen beteiligte.[1]
Többens nutzt jede Gelegenheit, sich in diesem vom Krieg begünstigten und von der SS kontrollierten System zu bereichern. So verschafft er sich weiteren Zugewinn, indem er Lebensmittel auf dem Schwarzmarkt verkauft, die er zuvor vom Judenrat für seine Arbeiter einforderte.
1943 wird Heinrich Himmler auf den außerordentlich geschäftstüchtigen Kaufmann aufmerksam: „…Wenn ich nicht irre, hat sich hier im Verlauf von drei Jahren ein früher besitzloser Mann zum wohlhabenden Besitzer – wenn nicht sogar schon zum Millionär – entwickelt, und zwar nur dadurch, daß wir, der Staat, ihm billige Arbeitskräfte zutrieben. …“ Himmler ordnet an: „Sofortige Ausschaltung der privaten Firmen.“ [2]
Durch gute Beziehungen zu einflussreichen SS-Kreisen und ins Reichswirtschaftsministerium kann Többens sich dieser Anordnung Himmlers entziehen und seine Geschäfte fortsetzen und ausbauen. Es gelingt ihm nach den Aufständen im Warschauer Getto, 10.000 jüdische Arbeiter, Arbeiterinnen und Familienangehörige per Zug nach Poniatowa bei Lublin zu bringen, um dort eine neue Produktionsstätte aufzubauen. Jüdische Organisationen warnten die Menschen zuvor eindringlich, sich nicht auf diese Aktion einzulassen. Többens setzt dem Drohungen und Versprechen entgegen. In einem von ihm verbreiteten Flugblatt heißt es: „Mit voller Überzeugung kann ich Ihnen nur immer wieder raten: Fahrt nach Trawniki, fahrt nach Poniatowa, denn dort sind Lebensmöglichkeiten und dort werdet Ihr den Krieg überdauern.“[3] Den Arbeiterinnen verspricht er, in Poniatowa Kindergärten für ihre Kinder einzurichten.
Am 4. November 1943 werden im Rahmen der „Aktion Erntefest“ etwa 15 000 Juden und Jüdinnen – und ihre Kinder – in Poniatowa von SS-Truppen und Polizeiverbänden erschossen. Többens kehrt nach Warschau zurück, produziert dort erneut.
Erst mit Herannahen der Front zieht Többens sich aus Polen zurück und verlegt seine Produktion und die dafür notwendigen Güter nach Deutschland. Es gelingt ihm, dafür Züge zu requirieren, die eigentlich für den Verwundetentransport vorgesehen waren. Damit ist Többens in der Lage, sofort nach Kriegsende seine Geschäfte fortzusetzen.
Am 11. September 1945 wird Többens allerdings zunächst einmal in Bremen vom Counter Intelligence Corps verhaftet und interniert. Ihm gelingt die Flucht aus einem Eisenbahnwagon während einer Überführung. Többens taucht unter.
In dem anschließenden Entnazifizierungsverfahren lässt er sich von einem Bevollmächtigten vertreten.
Am 01. Juni 1949 wird Walter Caspar Többens von der Bremer Spruchkammer VI als Hauptschuldiger zu 10 Jahren Arbeitslager verurteilt. Sein gesamtes Vermögen soll eingezogen werden.[4]
Ein Anfechtungsverfahren endet am 17. April 1952 damit, dass Többens nur noch als „Belasteter“ eingestuft wird. Sein Vermögen wird ihm zurückerstattet. Am 30. Mai 1952 begnadigt Bürgermeister Wilhelm Kaisen Többens, indem er ihn zum „Mitläufer“ erklärt.
„Zügig ging Többens nach diesem Urteil an eine Reorganisation seines Unternehmens, in dessen Folge er am 1. November 1952 die Firma ‚Walther Többens OHG‘ mit der seines Bruders Ludwig zur Firma „Gebr. Többens OHG“ zusammenschloss. Inmitten einer Gesellschaft, die nicht mehr an die Vergangenheit erinnert werden wollte, verblasste die seine zusehends.“[5]
Am 16. November 1954 stirbt der Vegesacker Kaufmann Walter Caspar Többens an den Folgen eines Verkehrsunfalls.
Bildmaterial: Bild des Kaufhauses Többens aus den 50./60. Jahren aus der „Zeitschrift der Straße“
Das ehem. Kaufhaus Többens heute, 2022, stammt von R. Sonnenberg.
[1] vgl. Schwarberg, Günther. Das Getto. Göttingen: Steidl Verlag, 1889, S. 52
[2] zitiert nach Schwarberg, Günther. Das Getto. Göttingen: Steidl Verlag, 1889, S. 26
[3] zitiert nach Schwarberg, Günther. Das Getto. Göttingen: Steidl Verlag, 1989, S. 34. Hieraus auch das Porträtbild von Többens.
[4] vgl. Urteil der Bremer Spruchkammer VI vom 01.06.1949
[5] Ehmen, Sönke. Der Anti-Schindler in: WK Geschichte vom 23.11.2014
Veröffentlicht am 27. Mai 2022 und aktualisiert am 29. November 2022