Wilhelm Mündtrath wurde am 17. März 1898 als Sohn eines Kaufmannes in Weidenau, Kreis Siegen, geboren. Die Volksschule besuchte er in Berleburg, in Hemer und Sundwig in Westfalen. Nach dem Abschluss der 8. Schulklasse wurde er Schlosser. Gleich nach dem Abschluss der Lehrzeit meldete Mündtrath sich am 4. April 1916 als Kriegsfreiwilliger bei der Kaiserlichen Marine. 1920 kam er als Dreher nach Bremen und arbeitete bis 1925 zunächst beim Reichsbahnausbesserungswerk in Sebaldsbrück. In dieser Zeit heiratete er. Die Ehe blieb kinderlos.
Zur Polizei kam Mündtrath am 1. Januar 1925. Acht Jahre später wurde er am 1. April 1933 von der Kriminalpolizei übernommen. Über eine politische Betätigung Mündtraths ist nichts bekannt. Das Eintrittsdatum April 1933 setzt indes eine zumindest wohlwollende Haltung gegenüber den Nationalsozialisten voraus. Sieben Jahre arbeitete er im Sittendezernat als Sachbearbeiter, bevor er am 1. Februar 1940 nach Hohensalza zur Kriminalpolizeistelle versetzt wurde. Eine Wirbelsäulenverletzung zwang ihn zur Rückkehr, so dass Mündtrath bereits seit September 1940 wieder in Bremen war und bei der Kriminalpolizei im Betrugsdezernat eingesetzt wurde. Ab Sommer 1941 übernahm er die Leitung der so genannten „Dienststelle für Zigeunerfragen“.
Mündtrath selber gab an, angeblich keine besondere ‚Eignung‘ zur Leitung des „Zigeunerdezernats“ gehabt zu haben. Aus den Entnazifizierungsakten Mündtraths lassen sich jedoch einige Hinweise dazu finden, warum er möglicherweise als Leiter des „Zigeunerdezernats“ ‚geeignet‘ war. So sagte der Sinto Robert Petermann in dem Entnazifizierungsverfahren gegen Mündtrath aus, dass er von den Sinti der „2. Himmler“ genannt wurde. Dies wird sich weniger auf das Aussehen Mündtraths bezogen haben, als vielmehr auf sein Verhalten als Leiter des „Zigeunerdezernats“ und der Tatsache, dass Mündtrath von sich ein Foto in SS-Uniform auf dem Schreibtisch stehen hatte.
Zu Mündtraths Aufgaben gehörte die Überwachung der den Sinti allgemein erteilten Auflagen, wie z.B. das Verbot, die Stadt ohne Genehmigung zu verlassen oder die Überwachung des Verbots mit „arischen Frauen“ zu „verkehren“. Das Verfahren war nach Mündtraths Aussage folgendermaßen geregelt: „Aus dem Publikum oder auf dem Polizeiwege ging bei der Kripoleitstelle eine Meldung ein. Diese Meldung wurde sodann auf dem Dienstwege mir als Zigeunersachbearbeiter zugeschrieben. Ich stellte dann Ermittlungen an und berichtete entsprechend. Der Vorgang mit meinem Bericht wurde nach Abschluss auf dem Dienstweg an die Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens übersandt. Von dort aus wurde erst entschieden, wie in jedem Einzelfalle gegen den beschuldigten Zigeuner vorzugehen sei.“
Mündtrath war auch maßgeblich an der Durchführung der Deportationen der Sinti und Roma aus Nordwestdeutschland im März 1943 in das „Zigeunerfamilienlager“ in Auschwitz-Birkenau beteiligt. Den letzten Transport in das KZ leitete er selber.
Nach den Deportationen im März 1943 war eine der Hauptaufgaben Mündtraths, die nichtdeportierten und in der Stadt verbliebenen Sinti und Roma Zwangssterilisationen zuzuführen.
Nach 1945 kehrte Mündtrath in den Dienst bei der Bremer Kriminalpolizei zurück. In einem Entnazifizierungsverfahren wurde er für „nicht betroffen“ eingestuft. Ein 1961 gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.
Mündtrath starb am 8. Januar 1973 und wurde auf dem Waller Friedhof beerdigt. Seine Todesanzeige verrät einiges über die ungebrochene NS-Gesinnung dieses „im Dienste der Mitmenschen“ stehenden Kriminalbeamten: Die Geburts- und Todesdaten wurden in Runen-Zeichen angeben. Im Geiste fühlte sich Mündtrath wohl noch immer der SS zugehörig, obwohl er nie Mitglied der SS war.
Dr. Hans Hesse
Literatur:
Hesse, Hans, Wilhelm Mündtrath – Kriminalsekretär des Bremer “Zigeunerdezernats”, in: Danckwortt, Barbara/Querg, Thorsten/Schöningh, Claudia (Hg.), „Historische Rassismusforschung. Ideologen-Täter-Opfer“. Mit einer Einleitung von Wolfgang Wippermann, Hamburg 1995, S. 246-272.
Hesse, Hans, „Ich bitte, die verantwortlichen Personen für ihre unmenschlichen barbarischen Taten zur Rechenschaft zu ziehen“ – Die Deportation der Sinti und Roma am 8. März 1943 aus Nordwestdeutschland, Bremen 2022, S. 35–38.
Hesse, Hans, Konstruktionen der Unschuld. Die Entnazifizierung am Beispiel Bremen und Bremerhaven 1945–1953, Bremen 2005.
Online: Hesse, Hans, „Der zweite Himmler“ (https://wkgeschichte.weser-kurier.de/der-zweite-himmler/).
Quellen:
Staatsarchiv Bremen 4, 66 – I. Mündtrath, Wilhelm, 7743 und 7744 (Entnazifizierungsverfahren).
Staatsarchiv Bremen 4, 89/3 – 710, Ermittlungsverfahren gegen Wilhelm Mündtrath.