Zwangs­ar­beit auf der Stahl­hüt­te

Direktor Otto Hoffmann auf Maiumzug_Hütte
1. Au­gust 1938
Carl-Benz Str. 30, Bre­men

Be­reits in den ers­ten Jah­ren der Nazi-Herr­schaft war Bre­men ein wich­ti­ges Zen­trum der deut­schen Rüs­tungs­wirt­schaft. Hier wur­den schon vor Kriegs­aus­bruch Flug­zeu­ge, Kriegs­schif­fe, Fahr­zeu­ge, Ma­schi­nen etc. pro­du­ziert. Zu die­sen Pro­duk­ti­ons­stät­ten zähl­te auch die zum Krupp-Kon­zern ge­hö­ren­de Nord­deut­sche Hüt­te. Sie lie­fer­te nicht nur Roh­ei­sen und Spe­zi­al­le­gie­run­gen für die Waf­fen­pro­duk­ti­on, son­dern auch Gas und Ze­ment für die Bre­mer Be­völ­ke­rung.

Als die ur­sprüng­li­che deut­sche Stamm­be­leg­schaft im­mer mehr zum Wehr­dienst ein­ge­zo­gen wur­de, ka­men deut­sche Fremd­ar­bei­ter und aus­län­di­sche Ar­beits­kräf­te zum Ein­satz. An­fäng­lich ge­schah dies auf mehr oder we­ni­ger frei­wil­li­ger Ba­sis. Tsche­chi­sche und pol­ni­sche Ar­bei­ter, die in ih­ren Hei­mat­län­dern kei­ne Be­schäf­ti­gung hat­ten, wur­den an­ge­wor­ben. Dies galt auch für deut­sche Fremd­ar­bei­ter, die von ih­ren Ar­beits­äm­tern im Rah­men der Dienst­ver­pflich­tung auf die Hüt­te ver­mit­telt wur­den. Spä­ter reich­te die Zahl die­ser „Frei­wil­li­gen“ je­doch nicht mehr aus. Nun wur­den Ar­bei­ter/​in­nen aus den von den Na­zis be­setz­ten Ge­bie­ten in West- und Ost­eu­ro­pa zur Ar­beit in der deut­schen In­dus­trie und da­mit auch auf der Nord­deut­schen Hüt­te ge­zwun­gen. Sie wa­ren un­ter­ge­bracht in ver­schie­de­nen La­gern, die ab 1942 der DAF (Deut­sche Ar­bei­ter­front) un­ter­stellt wa­ren. Zu­vor war für die­se La­ger der (be­waff­ne­te) Werk­schutz zu­stän­dig. Da­bei zeich­ne­ten sich ei­ni­ge der DAF-La­ger­füh­rer durch be­son­de­re Bru­ta­li­tät aus. Als be­son­ders ver­tei­di­gungs­wür­di­ges Ob­jekt ver­füg­te die Hüt­te über eine ei­ge­ne Flug­ab­wehr.

Man­che der dienst­ver­pflich­te­ten Ar­bei­ter aus den west­eu­ro­päi­schen Län­dern wur­den bei Pri­vat­leu­ten un­ter­ge­bracht und ver­pflegt, so z. B. in ei­nem von ei­nem Gast­wirt an der Grambker­moo­rer Land­stra­ße ein­ge­rich­te­ten La­ger. Das La­ger war ein­ge­zäunt und es gab ei­nen Tor­wäch­ter. Die­ses La­ger exis­tier­te von 1938 bis zur sei­ner Ver­nich­tung durch ei­nen Bom­ben­an­griff am 18. Juni 1944.

Weil das ge­sam­te Hüt­ten­ge­län­de um­zäunt und be­wacht war, wur­den die La­ger­un­ter­künf­te für die grö­ße­ren Grup­pen Fremd­ar­bei­ter/​in­nen nicht ge­son­dert ge­si­chert. Für sie war der Werk­schutz zu­stän­dig, der von ak­ti­ven NS­DAP-Mit­glie­dern durch­setzt war. In ei­nem wei­te­ren Schritt wur­den schließ­lich Kriegs­ge­fan­ge­ne aus Frank­reich, So­wjet­uni­on, Po­len, Ita­li­en etc. so­wie Häft­lin­ge des KZ Neu­eng­am­me (bei Ham­burg) auf der Hüt­te be­schäf­tigt. In die­sem La­ger, das die Be­zeich­nung Riespott oder auch Osterort be­kam, wur­den be­reits vor dem Krieg po­li­ti­sche Häft­lin­ge von den Na­zis ein­ge­sperrt. 1944 wur­de der west­li­che Teil des La­gers mit ei­nem Sta­chel­draht­zaun ab­ge­trennt und zum Au­ßen­la­ger des KZ Neu­eng­am­me ge­macht. Im rest­li­chen Teil des La­gers be­fan­den sich 1944 ita­lie­ni­sche Mi­li­tär­in­ter­nier­te. Sep­tem­ber 1943 be­trug der An­teil der aus­län­di­schen Ar­bei­ter/​in­nen und Kriegs­ge­fan­ge­nen auf der Hüt­te be­reits fast 45 % der ge­sam­ten Ar­bei­ter­be­leg­schaft.

Von der Krupp Kon­zern­spit­ze wur­de 1935 Otto Hof­mann aus Es­sen-Bor­beck zur Nord­deut­schen  Hüt­te nach Bre­men ge­schickt. Hier mach­te er in­ner­halb des Wer­kes schnell Kar­rie­re. 1942 wur­de er Be­triebs­füh­rer der Hüt­te und gleich­zei­tig auch po­li­ti­scher und mi­li­tä­ri­scher Ab­wehr­be­auf­trag­ter. Hof­mann war über­zeug­ter Na­tio­nal­so­zia­list und seit dem 1.1.1931 NS­DAP Mit­glied mit der Mit­glieds­num­mer 425 612. In Es­sen-Bor­beck war er u.a. NS­DAP-Orts­grup­pen­lei­ter. Un­ter Hof­mann (Sie­he Bild. Hoff­mann mit hel­ler Man­tel beim Mai-Um­zug) wur­den 40 – 50 NS­DAP-Mit­glie­der, dar­un­ter fa­na­ti­sche Hit­ler­an­hän­ger, haupt­säch­lich im An­ge­stell­ten­be­reich der Ver­wal­tung und im Lohn­bü­ro ein­ge­stellt. Mit ih­rer Un­ter­stüt­zung ent­stand hier­durch ein ef­fek­ti­ves Spit­zel- und Kon­troll­sys­tem. Hof­mann leb­te, wie vie­le an­de­re lei­ten­de An­ge­stell­te auch, auf dem Hüt­ten­ge­län­de, al­ler­dings an­ders als die Zwangs­ar­bei­ter/​in­nen nicht in ei­ner La­ger­ba­ra­cke, son­dern in ei­ner Vil­la an der Dr. Wie­gan­d­stra­ße in der Nähe des Werks­to­res. 1948 wur­de Hoff­mann in sein ei­ge­nes La­ger Rie­spott in­ter­niert. Am 1. Au­gust 1949 stuf­te ihn die für „Ent­na­zi­fi­zie­rung“ zu­stän­di­ge II. Spruch­kam­mer als „Be­las­tet“ ein. Die In­ter­nie­rungs­zeit wur­de ihm auf sei­ne Stra­fe an­ge­rech­net, dazu muss­te er 500 Reichs­mark in den Wie­der­gut­ma­chungs­fonds ein­zah­len.

Die Nord­deut­sche Hüt­te ging nach dem Krieg in die Hän­de der Klöck­ner Wer­ke über. Ak­tu­ell ge­hört sie zum Ar­celor­Mit­tal Kon­zern. Die Ver­ant­wort­li­chen für den ver­bre­che­ri­schen Ein­satz der Zwangs­ar­bei­ter/​in­nen, von de­nen vie­le in Bre­men ihr Le­ben ver­lo­ren, wur­den nie zur Re­chen­schaft ge­zo­gen.

Quelle: „Bei „Bum­meln“ droht Ge­stap­o­haft – Zwangs­ar­beit auf der Nord­deut­schen Hüt­te wäh­rend der NS-Herr­schaft“ von Eike Hem­mer und Ro­bert Milb­radt (Tem­men Ver­lag, 2007) so­wie “Rie­spott – KZ an der Nord­deut­schen Hüt­te, Be­rich­te, Do­ku­men­te und Er­in­ne­run­gen über Zwangs­ar­beit 1935 – 1945″, her­aus­ge­ge­ben im Jahr 1984 von ei­ner Kol­le­gen­grup­pe der Klöck­ner Wer­ke AG Bre­men.

Veröffentlicht am und aktualisiert am 29. November 2022

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