In der Zeit des Nationalsozialismus mussten die Stadtwerke Bremen mit immer weniger Personal, das abgezogen wurde um in der Wehrmacht zu dienen, immer mehr Gas und Elektrizität produzieren damit die wachsende Rüstungsindustrie am Laufen gehalten werden konnte. Bereits ab 1940 bemühte man sich deshalb die personellen Lücken mit Fremdarbeiter:innen aus dem Ausland zu füllen. Als das nicht mehr ausreichte, kamen Zwangsarbeiter:innen, Kriegsgefangene, KZ- und Zuchthaushäftlinge hinzu. Der jüngste von ihnen war Michael Korotkowitsch aus der Sowjetunion. Er war 13 Jahre alt, als er fern seiner Heimat gezwungen in Bremen zu arbeiten. Der älteste war der 67 Jahre alte Johann Stoschitsch.
Dass solche Einzelheiten bekannt geworden sind, ist der Rechtsnachfolgerin der Stadtwerke, der heutigen swb AG, zu verdanken. Als in einem Schrank zwei Kartons mit den Personalunterlagen von über 500 ausländischen Arbeitskräften auftauchten, war dies für swb Anlass, sich mit der damit verbundenen Geschichte der Stadtwerke Bremen auseinander zu setzen. Daraufhin trat die swb AG der „Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft“ bei, die eine nachträgliche finanzielle Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter:innen plante.
1933 waren die Stadtwerke ein staatlicher Betrieb, dessen Belegschaft aus Beamten, Angestellten und Arbeiter*innen bestand. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden viele von ihnen entlassen, weil sie der NSDAP kritisch gegenüber standen. Das galt z. B. für den Gas- und Wasserwerkdirektor Heinrich Schütte, der 1934 seinen Hut nehmen musste. Besonders hart traf es die eher links eingestellte Belegschaft des Gaswerks in Woltmershausen und des Dampfwerks in Hastedt. Bis zu 25 % der Belegschaftsmitglieder verloren ihre Stelle. Sie sollten durch regimetreue „Volksgenossen“ ersetzt werden, obwohl sie z. T. dafür gar nicht qualifiziert waren.
Nachfolger von Schütte wurde Friedrich Hopf, der bereits 1931 in die NSDAP eingetreten war und auch Mitglied der SA war. Hopf stellte anschließend seinen Parteigenossen Walter Bolenz als leitenden Ingenieur im Gaswerk an.
Der Tischler Richard Beste wiederum war von der SA im KZ Missler als Bewacher eingesetzt worden. Als nach Protesten aus der Findorffer Bevölkerung das KZ auf einen Kahn in der Ochtum-Mündung verlegt wurde, wurde Beste im Gaswerk der Stadtwerke zum Betriebsobmann der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Damit wurde er quasi als „Belegschaftsvertreter“ zur rechten Hand von Hopf.
Die verbliebene Belegschaft wurde zunehmend im Sinne der Volksgemeinschaft und der NSDAP ideologisch gebildet. Aus Direktoren wurden jetzt Betriebsführer, aus der Belegschaft wurde eine Gefolgschaft. Auf dem Gelände des Gaswerks wurde zwecks Einschüchterung und Bespitzelung eine Wachmannschaft aus SA-Männern stationiert. Folge dieser Bespitzelung war u. a. die Denunzierung von Kollegen aus unterschiedlichen Gründen und deren Meldung bei der Gestapo. Auf diese Weise landeten einige von ihnen für mehrere Wochen im Arbeitserziehungslager Farge.
Interessanterweise wurden bereits 1934 die Decken der Kellerräume im Hauptgebäude der Stadtwerke in der Schlachthofstraße so verstärkt, „dass sie von einstürzenden Gebäudeteilen nicht durchschlagen werden können – wie es bei Luftangriffen zu befürchten ist.“ Ähnlich wie beim Bau der Kasernen in Huckelriede wurde also von den Nationalsozialisten bereits in einem frühen Stadium durchaus ein bevorstehender Krieg einkalkuliert. Das galt auch für die rasch anwachsende Rüstungsindustrie in Bremen: Focke-Wulf mit seinem Flugzeugbau, die AG Weser mit dem Bau von U-Booten und Zerstörern, die Francke Werke mit ihren Wassergas- und Wasserstoffanlagen, Produktion von Granaten und Motoren, Borgward mit seiner Auto- und Militärfahrzeugproduktion.
Sie alle brauchten viel Industriestrom um ihre Produktion am Laufen zu halten. Die Stadtwerke wurden zu einer Aktiengesellschaft unter Führung des E-Werkdirektors Werner Matthias neu strukturiert. Er war bemerkenswerterweise kein NSDAP-Mitglied, verfügte jedoch über gute fachliche Qualifikationen. Dem erhöhten Bedarf an Strom stand jedoch ein Rückgang der Belegschaft gegenüber. Ab 1935 wechselten qualifizierte Arbeitskräfte von den Stadtwerken in die Rüstungsindustrie, die bessere Löhne bot. Außerdem wurden zunehmend mehr Arbeitskräfte für den Wehrdienst eingezogen.
Zuerst stellte man deshalb, trotz ideologischer Bedenken, wieder zunehmend Frauen ein. Ab 1940 wurden dann auch zivile ausländische Arbeiter:innen, sog. „Fremdarbeiter:innen“, angeworben.
Handelte es sich anfänglich noch um Personen, die auf freiwilliger Basis kamen, waren es 1941 immer mehr solche, die unter Druck ihrer heimatlichen Arbeitsämter oder aus finanziellen Gründen an die Stadtwerke vermittelt wurden. Sie kamen aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Tschechoslowakei, Dänemark, Polen, Sowjetunion etc. Die meisten von ihnen, darunter auch Frauen, wurden in Gemeinschaftslagern, die von der DAF in mehreren Stadtteilen betrieben wurden, untergebracht.
Ab Juli 1940 wurden auch französische Kriegsgefangene dem Gaswerk überstellt. Sie wurden in einem Gebäude auf dem Gelände einer alten Ziegelei am Seefelde oder in einer Gaststätte am Reedeich in der Neustadt untergebracht.
Wurden die Fremd- und Zwangsarbeiter:innen anfänglich vorrangig mit Arbeiten beschäftigt, die keine besonderen Qualifikationen verlangten, änderte sich dies im Verlauf des Weltkrieges immer mehr. Sie sollten zunehmend die qualifizierten Kräfte ersetzen, die bei den Stadtwerken zum Wehrdienst eingezogen worden waren.
Zusätzlich wurden ab 1941 Strafgefangene aus Oslebshausen oder aus Lagern im Emsland bei den Stadtwerken beschäftigt und ab Mitte 1943 sogar KZ-Häftlinge der Zweiten SS-Bau-Brigade aus dem KZ Neuengamme. Letztere waren auf dem Gelände der ehemaligen Hindenburg-Kaserne in Huckelriede untergebracht. Von Dezember 1942 bis September 1944 wurden von den Stadtwerken auch bis zu sechs Chinesen beschäftigt. Deren Schiffe waren von der deutschen Marine festgesetzt worden und sie wurden nun gezwungen Arbeitsdienst zu leisten.
Nach der Befreiung wurden der Direktor Friedrich Hopf, Ingenieur Max Berg oder Prokurist Georg Meyer sowie mehrere andere Mitarbeiter der Stadtwerke von der Bremer Spruchkammer wegen des Einsatzes und Misshandlung von Zwangsarbeitern verfolgt, aber alle recht milde bestraft. Mehrere von ihnen wurden zu einem späteren Zeitpunkt weiterbeschäftigt. Die Stadtwerke selbst wurden wiederum ein staatlicher Betrieb.
Quelle: Marcus Meyer „… uns 100 Zivilausländer umgehend zu beschaffen – Zwangsarbeit bei den Bremer Stadtwerken 1939 – 1945“ (Edition Temmen)
Veröffentlicht am 7. Mai 2021 und aktualisiert am 29. November 2022